Von Wakaliwood bis Hollywood

Isaac Nabwana bei den Dreharbeiten zu einer Filmszene
Foto: Erberto Zani/Alamy
Herr Nabwana, Sie sind durch Ihre gewalttätigen Filme berühmt geworden. An welchem Film arbeiten Sie zurzeit?
Wir sind sehr beschäftigt, ich war gerade im Studio und habe an den letzten Feinheiten des Soundtracks für den Film „Eaten Alive“ gefeilt, ein Horrorfilm, der durch eine Geschichte über Kannibalen in Uganda inspiriert ist. Der Film wird hier bald in den Kinos anlaufen, wir haben ihn vor fast acht Jahren gedreht. In der Zwischenzeit hatte ich einen Teil des Films verloren und die Story etwas verändert. Jetzt ist er fertig. Dann kann ich ihn aus dem Computer nehmen und am nächsten Projekt arbeiten. Ich habe immer so wenig Speicherplatz.
Wissen Sie, wer Ihre Filme schaut? Ich habe zum Beispiel gesehen, dass „Who Killed Captain Alex“ über 9,7 Millionen Aufrufe auf YouTube hat.
Es gibt überall Fans meiner Arbeit. Franzosen, Deutsche, Israelis, Amerikaner, Spanier und Schweden haben mich kontaktiert. Ich bekomme auch regelmäßig Besuch. Kürzlich war jemand aus Belarus hier, er hatte mit der Regierung zu tun und wurde nachts mit einem Armeekonvoi hierher eskortiert. Wir haben gezittert und uns gefragt: Was haben wir getan?
„Wakaliwood ist jetzt eine Art Touristenzentrum, die Leute kommen hierher, spielen mit und werden im Film getötet“
Sie werden sogar als der Quentin Tarantino von Uganda bezeichnet und haben mit Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Welt zusammengearbeitet. Was hat Ihnen das gebracht?
Es hat mich ermutigt, das zu tun, was ich tue, und weiterzumachen. Wakaliwood ist jetzt eine Art Touristenzentrum, die Leute kommen hierher, spielen mit und werden im Film getötet. Danach schreiben sie ihre Namen auf die Wall of Fame.
Haben Sie schon Angebote für eine große internationale Produktion erhalten?
Es gibt keinen großen Vertrag, aber ich drehe gerade zwei Filme, einen in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Lausanne in der Schweiz und einen mit der Renaissance Society in Chicago. Der Film für das amerikanische Festival wird „If Uganda was America“ heißen. Für die Schweizer arbeite ich an einem Film mit dem Titel „Rolex Time“.
Wie die Uhr?
Hier in Uganda ist es keine Uhr, sondern ein Essen, eine Art Omelett-Wrap, ein bekanntes Streetfood-Gericht. Deshalb nenne ich das Projekt „Rolex Time“, weil wir etwas mit der Schweiz gemeinsam haben.
Und haben Sie jetzt größere Budgets für Ihre Filme?
Inzwischen drehe ich mit etwa tausend Dollar pro Film statt mit 200 wie früher. Das Leben hier hat sich nach der Pandemie etwas verändert, wie fast alles ist auch der Transport sehr teuer geworden. Gleichzeitig dauert alles länger. Früher habe ich jeden Tag mehrere Filme gedreht, heute geht das nicht mehr, weil ich nicht mehr ständig alle Leute so preiswert und effizient transportieren kann wie zuvor. Für den Film, den ich mit den Schweizern zusammen produziere, haben wir ein Budget von 30.000 Euro. Das ist nicht viel, aber es geht.
„Für mich gibt es nur dann Gewalt in einem Film, wenn die Stars nicht sterben“
Früher haben Ihre Schauspieler umsonst für Sie gearbeitet. Können Sie sie mittlerweile bezahlen?
Ich habe kein Budget für Gagen, aber ich bezahle die Transportkosten und die Verpflegung für sie, und sie sind an den Einnahmen des Films beteiligt. Wir wollen die Filme nicht mehr wie früher als DVDs vertreiben, weil jeder auf sein Telefon starrt. Wir versuchen, Onlineplattformen aufzubauen, und schauen, ob wir USB-Sticks verkaufen können.
Hat Wakaliga, Ihr Viertel, von Ihrem Ruhm profitiert?
Ich habe schon das Gefühl, weil die Leute kommen und hier konsumieren. Zurzeit wohnen hier fünf Israelis. Sie übernachten in Hotels und kaufen Wasserflaschen in den Läden.
Haben die ugandischen Behörden, die Sie vor ein paar Jahren wegen der Gewalt in Ihren Filmen kritisiert haben, ihre Haltung geändert?
Es ist vor allem die ugandische Diaspora, die mich kritisiert hat. Diese Leute, die denken, dass ich das Land nicht gut repräsentiere, und gerne hätten, dass ich einen Aufklärungsfilm über Malaria oder eine andere Krankheit mache. Ich habe ihnen gesagt, dass ich die Leute nicht aufkläre, sondern unterhalte. Was ich leicht und ohne großes Budget machen kann, ist Action, Actionkomödien. Anders als sie behaupten, sind meine Filme nicht gewalttätig. Für mich gibt es nur dann Gewalt in einem Film, wenn die Stars nicht sterben. Das erweckt bei Kindern den Eindruck, dass man nie stirbt, und das kann verheerende Folgen haben. Aber meine Filmstars sterben und kommen wieder. Für mich ist das die Lösung der Gleichung.
„Mein Traum ist es, die neue Generation auszubilden, eine Filmschule zu gründen, Talente zu fördern und sie zu unterstützen“
Sie denken also nicht daran, andere Genres zu drehen, zum Beispiel einen Liebesfilm?
Ich glaube nicht, dass ich jemals eine Liebesgeschichte erzählen würde. Ich denke, ich bin nicht der Typ dafür. Ich glaube nicht, dass Liebesgeschichten international übersetzbar sind. Die Liebe der Deutschen ist anders als die der Ugander. Aber ein Faustschlag ist überall ein Faustschlag. Actionfilme sprechen eine internationale Sprache.
Wie werden Sie in Ihrem Viertel Wakaliga wahrgenommen?
Die Leute respektieren mich, weil sie gesehen haben, dass ich Menschen aus der ganzen Welt zu Gast habe. Ich gehöre den Menschen, Wakaliwood gehört ihnen. Besonders stolz sind die Leute in meinem Viertel auf den großen Hubschrauber, den ich für einen Film habe bauen lassen. Die Behörden haben sogar eine Straße nach meiner Filmproduktion benannt, sie heißt Wakaliwood Lane. Das war eine Anerkennung für das, was wir geleistet haben.
Sie haben vielen Journalisten erzählt, dass Sie Wakaliwood gegründet haben, weil es Ihr Traum war, einen Actionfilm zu machen. Wovon träumen Sie heute?
Mein Traum ist es, die neue Generation auszubilden, eine Filmschule zu gründen, Talente zu fördern und sie zu unterstützen. Wir haben ein Problem mit Arbeitslosigkeit in Uganda. Wenn wir das Filmemachen zu einem lukrativen Beruf machen könnten, wäre das ein weiterer großer Traum.
Das Interview führte Cécile Calla