Tuvalu erschafft sich im Internet neu
Die Message war klar, und das Video, das Tuvalus damaliger Außenminister Simon Kofe 2022 zur Klimakonferenz COP 27 posten ließ, sorgte denn auch für Aufmerksamkeit. Der steigende Meeresspiegel sei eine existenzielle Bedrohung für seine Heimat, erklärte er.
Es gäbe nur einen Ausweg: Mittelfristig müsse Tuvalu zur ersten digitalen Nation der Welt werden. Im Video sieht man Kofe vor einem Pult am Strand stehen.
Langsam zoomt die Kamera von ihm weg. Dann versteht man: Die Insel ist ein digitales Rendering, statt des Ozeans umgibt sie nur ein schwarzes, virtuelles Nichts.
Manche hielten die Rede für eine reine PR-Aktion. Will eine Nation als Staat anerkannt werden, braucht sie laut internationalem Recht ein Territorium. Doch das Territorium von Tuvalu ist durch den ansteigenden Meeresspiegel akut bedroht.
Für das Projekt „Tuvalu. The First Digital Nation“ wurden daher die gut 120 Inseln und Atolle in einem 3-D-Modell erfasst. Bald sollen die Vergabe von Pässen, Anmeldung von Geburten und Hochzeiten oder sogar die Parlamentswahlen digital ablaufen können.
Auch kulturelles Erbe kann bewahrt werden: Bürger können etwa das Lachen ihrer Kinder oder bedeutsame Objekte digitalisieren lassen und hochladen. Ob eine Nation ohne physisches Staatsgebiet anerkannt würde, etwa von den UN, ist völlig offen.
Doch weltweit leben sechzig Prozent der Menschheit in unmittelbarer Nähe zum Meer. Für sie alle könnte das Projekt langfristig Modellcharakter haben.