Ein Haus in Kap Verde
Bis ins 18. Jahrhundert war Cidade Velha die Hauptstadt des Landes. Sie befindet sich ganz im Süden der größten kapverdischen Insel Santiago, die rund 570 Kilometer westlich vom afrikanischen Kontinent liegt, doch inzwischen ist sie eher ein Fischerdorf mit rund 1.300 Einwohnern. Hier lebt die 85-jährige Francisca Mendes Almeida in ihrem Haus, dessen Gestalt sich durch die Jahrzehnte stets verändert hat und das bis heute etwas von einer wohnlichen Baustelle hat.
Immer wieder wurden Zimmer angebaut. Das liegt auch daran, dass sich Francisca Mendes Almeida ihr Heim mit einigen ihrer insgesamt 72 Nachkommen teilt. Über die Jahre haben in dem Gebäude, das an einem Abhang im Norden des Ortes steht, ihre Kinder, ein paar Enkel und schließlich sogar Urenkel Platz gefunden.
„Die leicht chaotisch anmutende Architektur verträgt sich gut mit den lockeren Bauvorschriften auf der Insel“
In diesem Haus hat sie schon als kleines Mädchen gewohnt, damals noch unter portugiesischer Kolonialherrschaft, die bis 1975 dauerte. In ihrer Kindheit bestand es ausschließlich aus Basalt, erzählt die drahtige Frau, deren lebhafte Gesten und schnelle Bewegungen nicht auf ihr Alter schließen lassen. Damals war das vulkanische Gestein das am weitesten verbreitete Baumaterial auf Kap Verde.
Heute sind es Leichtbetonsteine, wie sie Mendes Almeida auch für ihre Anbauten verwendet. Die leicht chaotisch anmutende Architektur verträgt sich gut mit den lockeren Bauvorschriften auf der Insel. Will man ein Gebäude errichten, reicht es, sich die Genehmigung des Bürgermeisters einzuholen. Und in der Regel konstruieren die Bewohner ihre Häuser ohne die Hilfe eines Architekten.
Das Haus von Francisca Mendes Almeida hat eine wechselvolle Geschichte. In ihrer Jugend lebte sie zehn Jahre lang in der dreißig Kilometer entfernten Kleinstadt São Domingos. In dieser Zeit blieb das Gebäude unbewohnt. Als sie 1975 nach der Erlangung der kapverdischen Unabhängigkeit nach Cidade Velha zurückkehrte, war es eine Ruine. Das junge Land war in eine wirtschaftliche Notlage gestürzt, die zusätzlich von Dürreperioden verschärft wurde.
Das bekam auch Mendes Almeida zu spüren. Sie baute ihr Haus mit ihren eigenen Händen wieder auf. Hilfe von ihrem Mann bekam sie dabei nur bedingt, denn als Fischer musste er sich tagsüber von der nächtlichen Arbeit erholen. Immer wieder fehlte es an Geld für Baumaterial.
„Der Alltag in dem Küstenort spielt sich überwiegend unter freiem Himmel ab“
Seither jedoch hat sich die Republik Kap Verde politisch wie ökonomisch stabilisiert und ist zum beliebten Reiseziel für Touristen geworden. Auch Francisca Mendes Almeida führt inzwischen ein Leben ohne existenzielle Sorgen, wenngleich sie bei anstehenden Reparaturen doch auf die finanzielle Hilfe ihrer Verwandten angewiesen ist, die in Frankreich oder Portugal leben.
Am liebsten hält sie sich in ihrem kleinen Vorgarten auf, die Durchschnittstemperatur auf der Insel beträgt übers Jahr betrachtet 25 Grad. Der Alltag in dem Küstenort spielt sich überwiegend unter freiem Himmel ab. Freunde und Familie trifft man am Strand, gegrillt wird auf den Straßen – „no stress“, so lautet das offizielle Motto Kap Verdes. Und für besonders heiße Tage hat Mendes Almeida noch ihre Veranda, auf der es dank der großzügigen Bepflanzung immer ein paar Grad kühler ist.