HIV und Corona

Die vergessene Pandemie

Während Covid-19 die Welt seit Monaten in Atem hält, wird Krankheiten wie Aids deutlich weniger Beachtung geschenkt. Das „Global Aids Update 2020“ warnt vor den Folgen

Frau Anam, zurzeit dreht sich alles um Covid-19. Doch der Kampf gegen andere Krankheiten steht nicht still. Was ist die wichtigste Erkenntnis des Global Aids Updates 2020?

Leider ist die wichtigste Erkenntnis, dass wir die globalen HIV-Ziele für 2020 nicht erreichen werden. Ganz gleich, ob man auf die Zahl der Todesfälle, der HIV-Tests oder der erfolgreich behandelten Menschen blickt: Wir liegen in allen Bereichen unter den Sollwerten, die im letzten Strategiepapier von 2015 festgelegt wurden. 

Wie wirkt sich das Coronavirus auf den globalen Kampf gegen HIV aus?

Wenn Epidemien wie Covid-19 die Welt treffen, dann sind afrikanische Länder in der Regel am stärksten betroffen. Für den Globalen Norden ist es oft leichter, den Globalen Süden zu unterstützen. Aber dieses Mal ist die Situation eine andere: Viele Industriestaaten sind stärker betroffen. Es fehlt deshalb an finanzieller Unterstützung für Gesundheitsprogramme gegen HIV, Tuberkulose oder andere Krankheiten. Zudem können viele Menschen mit HIV nicht behandelt werden, weil sie wegen Covid-19 nicht in die Kliniken gehen wollen. Wenn sich diese Situation nicht verändert, dann könnte das laut dem Bericht 820.000 zusätzliche Menschenleben kosten.

Ist die Pandemie der einzige Grund dafür, dass die UNAIDS-Ziele verfehlt werden?

Nein, die Hauptursachen sind andere: Zum einen ist HIV noch immer die am meisten stigmatisierende Krankheit der Welt. Damit die Behandlung funktioniert, müssen sich HIV-Positive sicher genug fühlen, um zu sagen: »Hier bin ich, bitte unterstützt mich.« Das ist aber wegen der anhaltenden rechtlichen und sozialen Diskriminierung vielerorts nicht der Fall. Zum anderen ist der Gesundheitssektor in den meisten afrikanischen Ländern sehr rigide: Da gibt es Spenderinnen und Spender, die sich für den Kampf gegen HIV engagieren, und dann werden die entsprechenden Strukturen aufgebaut – und das Gleiche geschieht mit Tuberkulose und jetzt eben mit Covid-19. Was wir aber eigentlich brauchen, sind mehr Investitionen in ein starkes kommunales Gesundheitssystem, das themenübergreifend arbeitet. Damit alle von einer menschenwürdigen Gesundheitsversorgung erreicht werden.

Das Interview führte Gundula Haage

Zum Download des „Global Aids Update 2020“: https://www.unaids.org/en/resources/documents/2020/global-aids-report

 

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