Teufelszeug
Viele Menschen in Botswana halten African Metal für gefährlichen Krach. Wir sehen das anders
Unsere Musik nennen wir African Metal. Für uns ist das ein gleichberechtigtes Genre wie auch Black oder Death Metal. Inhaltlich und musikalisch nehmen wir kulturelle Elemente unseres Heimatlandes Botswana und anderer afrikanischer Nationen auf.
In Botswana werden Traditionen und Glaubensvorstellungen zumeist mündlich weitergegeben. Das reißt jedoch zunehmend ab und jüngere Generationen sind mit den alten Bräuchen nicht mehr vertraut. Die Älteren, die diese Traditionen noch kennen, werden immer weniger und es wird zunehmend schwierig, etwas über die Geschichte dieser Bräuche zu erfahren. Wir wollen diese Traditionen wieder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Geschichten und Glaubensvorstellungen können so auf eine alternative Weise bewahrt werden. Denn andernfalls verschwinden sie aus dem kollektiven Gedächtnis. Ebenso sind sie in dieser Form noch nicht musikalisch verarbeitet worden. Die Entscheidung, diese Themen in unsere Musik zu integrieren, hat sich deswegen sehr natürlich angefühlt.
Unser Album „Dipoko“ von 2013 greift traditionelle afrikanische Glaubensvorstellungen auf. Dipoko sind die rastlosen Geister verstorbener Ahnen. Auf dem Album verarbeiten wir musikalisch unter anderem die Anbetung von Vorfahren, Totenmasken und rituelle Schlachtungen, wie in dem Song „Blood Ox Ritual“ („Blutochsenritual“). Bei diesem Ritual wird ein Ochse geschlachtet, um böse Geister zu beschwichtigen und die heimische Erde zu reinigen: „Das Blut des Ochsen ist der einzige Weg dieses Land zu reinigen, sein Blut wurde durch unsere Vorfahren viele Monde getrunken, töte ihn mit dem Iklwa (ein Zulu-Speer), vergrabe seine Eingeweide mit den Toten, das wird seine Seele in das Land der Badimo (Vorfahren) leiten.“
Viele Menschen halten Metal für Krach oder sogar Teufelsanbetungsmusik. Radiostationen in Botswana spielen es leider noch sehr selten. Wer aber diese Musik zum ersten Mal hört, wird neugierig. Mehr und mehr Menschen schließen sich der Szene an, weil sie ihre Persönlichkeit ausleben können. Auf der Internetplattform metal4africa.com vernetzen sich zusehends Bands aus vielen afrikanischen Ländern, in denen es unterschiedliche Ausprägungen der Musik gibt.
Metal zieht seine Kraft aus unharmonischen Klängen, die für ungeübte Ohren oft unangenehm sind. Die Musik strebt musikalisch nicht nach Wohlklang, genauso wenig nimmt sie stillschweigend gesellschaftliche Normen und Stereotype hin. Als Band und Gruppe von Individuen bedeutet das, dass wir unsere Identität aktiv nach unseren Bedürfnissen gestalten. Wir nehmen damit keine vorgefertigten Rollen ein.
Unsere ersten Konzerte haben wir vor zehn Leuten auf einem Parkplatz gespielt. Jetzt kommen oft 200 und mehr begeisterte Fans, um unsere Auftritte zu sehen. Das Touren als Band ist in Botswana nicht ganz einfach, da das Land eines der am dünnsten besiedelten Länder der Welt ist. Auf einem Territorium, das größer als Frankreich ist, leben nur rund zwei Millionen Menschen. Zwischen den Städten müssen wir daher sehr große Distanzen überwinden, um unser Publikum zu erreichen.
Dennoch: Botswana gehört zu den stabilsten Ländern des Kontinents. Das erleichtert es, unsere Musik zu produzieren und aufzutreten. Als Musiker können wir uns auf die gesetzlich verbriefte freie Meinungsäußerung stützen. Auch die wirtschaftliche Situation ist im Vergleich zu anderen Staaten Subsahara-Afrikas sehr gut. Allerdings kommen wir, wie die meisten Metal-Bands, aus der Mittelschicht. Wir mussten lange für unsere ersten Instrumente sparen. Es ist teuer, Equipment über das Internet im Ausland zu bestellen. Insgesamt lässt das positive gesellschaftliche Klima das Kulturleben im Land erblühen. Als Batswana, wie man die Einwohner hier nennt, und als Metalheads blicken wir deshalb in eine positive Zukunft!
Protokolliert von Max Menges