„Man muss Risiken eingehen, um sich zu verwirklichen“
Techno im Gottesstaat – für zwei iranische DJs kollidierten persönliche Träume mit Tradition und Gesetz
Herr Shadram und Herr Raki, Sie sind die Protagonisten des Dokumentarfilms „Raving Iran“, der Ihr Leben als DJs in Teheran porträtiert. Wie stehen Ihre Familien zu dieser Arbeit?
SHADRAM: Meine Familie hat mich von Anfang an unterstützt. Sie haben gesagt: Gib‘ immer dein Bestes und mach‘ nichts Halbherziges – selbst wenn es um das Produzieren elektronischer Musik geht.
RAKI: Bei mir war es nicht ganz so unproblematisch. Mein Vater wollte, dass ich Arzt werde oder einen anderen angesehenen Beruf anstrebe. Ich habe mich aber so lange dagegen gewehrt, bis er meinen Wunsch, DJ zu werden, akzeptiert hat (lacht).
Elektronische Musik ist in Ihrer Heimat offiziell verboten. Welche Gefahren bringt das für Sie als Produzenten mit sich?
SHADRAM: Das Regime hat viele Musikrichtungen verboten, aber elektronische Musik ist bei den Autoritäten besonders verhasst. In ihren Augen ist sie das Sinnbild westlicher Kultur. Deswegen kann man eine Party auch nicht einfach über die sozialen Netzwerke ankündigen. Die Gefahr wäre dann sehr groß, schon im Vorfeld aufzufliegen und im Zweifelsfall bis zu einer Woche im Gefängnis zu landen.
Wie macht man es besser?
SHADRAM: Wir haben unsere Events immer im Geheimen geplant, also zum Beispiel unseren engen Freunden nur telefonisch Bescheid gegeben. Die haben die Nachricht dann wiederum an ihre guten Freunde weitergeleitet. Ein Restrisiko bleibt natürlich trotzdem immer.
Wie ist die Atmosphäre auf so einem geheimen Rave?
RAKI: Wenn ich an eine unserer größten Partys in der Kavir-Wüste denke, dann herrschte dort eine Art kollektive Ekstase. So etwas kommt zustande, weil uns die Gäste auf eine gewisse Weise zwölf Stunden lang ihr vollstes Vertrauen schenken. Sie folgen unserer Einladung, um mit uns zu feiern. Das ist ein sehr intensives Gefühl von Gemeinschaft, man begibt sich zusammen in eine gefährliche Situation, aber gibt sich gleichzeitig auch gegenseitig Sicherheit.
Gab es mal eine besonders brenzlige Situation?
RAKI: Ja, wir wurden einmal von der Polizei erwischt und verhaftet. Wir mussten eine Menge Geld bezahlen, um aus dem Gefängnis zu kommen. Danach ging es allerdings bergauf. 2014 wurden Sie als DJ-Duo Blade & Beard zur Züricher Street Parade eingeladen.
SHADRAM: Die größte Technoparty der Welt! Das war eine riesige Sache für uns. Allein vor internationalem Publikum spielen zu können, das hätten wir uns nie vorstellen können. In Zürich trafen wir dann auch viele inspirierende Menschen, zum Beispiel Iftah Gabbai vom deutsch-israelischen Technoduo Skinnerbox, der uns anbot, einen gemeinsamen Track über eine israelisch-iranische Freundschaft zu produzieren.
RAKI: Eine tolle Idee, aber solche Projekte hätten wir in Iran nicht umsetzen können. Da nahm der Gedanke Form an, in der Schweiz zu bleiben.
Eine Entscheidung zwischen Ihrer iranischen Heimat und ihrem Traum, als DJs arbeiten zu können...
RAKI: Für mich als Einzelkind war es schwierig, meine Eltern in Teheran zurückzulassen. Letztendlich haben Arash und ich uns aber gemeinsam dazu entschieden, Asyl in der Schweiz zu beantragen. Der innere Konflikt bleibt natürlich, aber im Persischen sagt man sprichwörtlich, man müsse „ein großes Herz haben“. Es ist manchmal nötig, Risiken einzugehen, um sich selbst zu verwirklichen.
Blickten Sie optimistisch in die Zukunft?
SHADRAM: Die letzten zwei Jahre in der Asylunterkunft, in der wir unterkamen, waren sehr hart. Es gab nicht mal genug Platz für unser Equipment. Vor Kurzem sind wir aber bei einem Bekannten in Zürich eingezogen, mittlerweile haben wir zwei EPs produziert. Es geht also voran. Wir hoffen einfach, dass unsere Musik die Leute begeistert und wir nicht nur über den Film „Raving Iran“ bekannt werden.
Das Interview führten Max Menges und Kai Schnier
Dolmetscherin: Narges Hashempour