Frauen auf Sendung
In der kurdischen Stadt Halabdscha im Nordirak leben hunderttausende Geflüchtete aus Syrien und dem Zentralirak. Zwei von ihnen sind Hanin Hassan und Hevy Izat Ahmed. Gemeinsam mit der einheimischen Shadan Habeb Fathullah und anderen Frauen machen sie die wöchentliche Sendung „Refugee for Refugee Radio“ bei Radio Dange Nwe. Sie dokumentieren Geschichten von der Flucht und erzählen von Verlusten, Hoffnungen und die Angst vor der Rückkehr in die Heimat. Vier Protokolle
Mehr als nur Kochkurse
PARU ABBAS: Mein Name ist Paru Abbas, ich komme aus Bagdad. Ich unterrichte Handarbeiten und Kochen bei der Nwe-Organisation.
SHADAN HABEB FATHULLA: Sind die Kurse für die Frauen hilfreich?
ABBAS: Ja, sie vermitteln den Frauen ein Gefühl der Unabhängigkeit, und gleichzeitig gehören sie zu einer Gruppe. Viele sagen, die Kurse helfen ihnen auch, sich mental ruhiger zu fühlen, abzuschalten, nach dem, was sie erlebt haben.
FATHULLA: Was würden Sie den Frauen gern sagen, die uns jetzt zuhören?
ABBAS: Kommt zu uns und lernt etwas! Ihr werdet euch unabhängig und frei fühlen. Mit den neuen Fähigkeiten könnt ihr euer eigenes Geld verdienen. Ihr könnt für euch und eure Familie sorgen und seid nicht von euren Männern abhängig. Ihr werdet eure eigene Identität haben.
Es ist so wichtig, dass Frauen verstehen, dass sie auch von zu Hause aus arbeiten können.“
Viel verloren, aber überlebt
HANIN HASSAN: Willkommen zu unserer Sendung, heute ist Amera Atala bei uns, IDP (internally displaced person, deutsch: Binnengeflüchtete, Anmerkung der Redaktion) aus der Provinz Anbar. Wir würden gerne wissen, mit welchen Schwierigkeiten Sie zu kämpfen hatten.
AMERA ATALA: Um ehrlich zu sein, gab es sehr viele Schwierigkeiten. Wir sind von Ort zu Ort gezogen. Es war sehr schwierig. Unser Zuhause ist nahe Falludscha (die Stadt war bis Juli 2016 von der Terrororganisation „Islamischer Staat“ besetzt). Wir mussten vor den Bomben von Daesh (arabische Bezeichnung für den „Islamischen Staat“, Anmerkung der Redaktion) und den Militärflugzeugen fliehen.
HASSAN: Haben Sie auf Ihrer Flucht viel verloren?
ATALA: Wir haben viele materielle Dinge verloren, unsere Häuser, wissen Sie. Aber, Gott sei Dank: Wir haben keine Menschenleben verloren.
HASSAN: Wie finden Sie das Leben in Halabdscha? Einige Leute sagen, dass es sehr schwierig ist hier zu leben.
ATALA: Das habe ich so nicht erlebt. Das Leben hier ist zwar nicht leicht, aber die Bewohner von Halabdscha waren wirklich sehr nett und hilfsbereit.
Heimkehr nicht möglich
HANIN HASSAN: Mein Gast heute ist Umm Souhad aus der Provinz Diyala, willkommen in unserer Sendung. Warum sind Sie aus Diyala geflohen und nach Halabdscha gekommen?
UMM SOUHAD: Wir sind vor Daesh geflohen. Das Gebiet ist jetzt wieder befreit, aber man erlaubt uns nicht, zurückzukehren.
HASSAN: Wie sieht es momentan dort aus? Wissen Sie, wer die Provinz kontrolliert?
UMM SOUHAD: Wir wissen es nicht. Es heißt, es seien Milizen, irgendwelche Gruppen, die Armee, wir wissen wirklich nicht, was los ist. Wir dürfen nicht zurückgehen.
Keine Hilfe
HEVY IZAT AHMED: Begrüßen Sie unseren Gast für heute, Alia Umm Mohammed aus der Provinz Diyala. Umm Mohammed, worüber möchten Sie heute sprechen?
ALIA UMM MOHAMMED: Ich bin aus Diyala geflüchtet und ich möchte mich über die arabischen Länder beschweren. Wir sind Sunniten, warum helfen sie uns nicht? In meiner Familie sind wir sechs Leute. Ich habe kein Geld, um ein Haus ür meine Familie zu mieten, warum helfen uns die arabischen, die sunnitischen Länder nicht? Die Kurden in Halabdscha haben uns geholfen. Sie lassen mich umsonst in einem Zimmer in ihrem Haus wohnen. Ich möchte den Leuten in Halabdscha danken. Die arabischen Staaten verhöhnen uns. Hilfsorganisationen un- terstützen uns, aber nicht die arabischen Länder. Wir haben alles verloren, unsere Häuser, unsere Verwandten, warum helfen sie uns nur nicht?