Supermateralien
Plastik war gestern - die Zukunft gehört diesen Stoffen
Algenmutanten
Biokraftstoffe, Schusswesten, Tampons, Verbandmaterial, kalorienarme Nahrung - für Nanozellulose gibt es fast unendlich viele Verwendungsmöglichkeiten. Um den Pflanzenrohstoff als Supermaterial nutzen zu können, braucht man ihn im Nanoformat: Er wird in mikroskopisch kleine Teile zerlegt und neu zusammengebaut. Bisher wird er meist aus Baumrinde und Essigsäurebakterien hergestellt. Doch die Massenproduktion frisst Unmengen an Zucker, Wasser und Energie. Eine Forschergruppe der University of Texas in Austin könnte die Lösung haben. Sie verändern Algen mit der DNA von Essigsäurebakterien so, dass sie Nanozellulose produzieren. Dafür brauchen sie nur Wasser und Sonnenlicht. Dieses Verfahren ist nicht nur sehr ressourcenschonend, es hat auch einen weiteren Vorteil: Die Alge verbraucht während des Produktionsprozesses Kohlendioxid, eines der Treibhausgase, die für den Klimawandel verantwortlich sind. In ungefähr zehn Jahren soll die Nanozellulose-Produktion mit Algen im großen Stil anlaufen und könnte irgendwann sogar Plastik in elektronischen Geräten ersetzen.
Künstliche Spinnenseide
So fragil ein Spinnennetz auch erscheinen mag: Spinnenseide ist eines der widerstandsfähigsten natürlichen Materialien und dabei so dehnbar wie Gummi. Damit ist sie bekannten synthetischen Stoffen weit überlegen. Versuche, Spinnen industriell zu züchten, sind allerdings zum Scheitern verurteilt, denn die Achtfüßler sind Jäger und Kannibalen. Außerdem kann ihre Seide nur auf sehr mühsame und grausame Weise gewonnen werden, indem man die Tiere betäubt, mit einer Nadel fixiert und dann die Fäden aus ihren Spinndrüsen zieht. Der deutschen Firma AMSilk ist es in diesem Jahr gelungen, die nach eigenen Angaben weltweit erste kommerziell nutzbare Spinnenfaser künstlich zu produzieren. Dazu haben die Wissenschaftler Bakterien gentechnisch so verändert, dass sie aus Zucker, Stickstoff und Wasser Seidenproteine herstellen. Diese könnten zum Beispiel zu Sportkleidung oder immunsystemfreundlichen Beschichtungen für Implantate verarbeitet werden.
Pilzgeflecht
Styropor ist eines der umweltschädlichsten Materialien überhaupt. Die US-amerikanische Firma Ecovative hat ihm deshalb den Kampf angesagt. Ihre Waffe: Ein Pilz, genauer gesagt seine Myzelen, das unsichtbare fadenförmige Geflecht, welches sich um den Fruchtkörper herum ausbreitet. Wie eine Art Klebstoff können diese Myzelen landwirtschaftliche Abfälle, wie Reissporen oder Hafersamenhülsen, zu festem Material verdichten. Dafür werden einfach regional verfügbare Rohstoffe gemeinsam mit den Pilzmyzelen in eine Form gegeben. Den Rest erledigt die Natur. Das Ergebnis ist ein isolierendes, feuerfestes, feuchtigkeits- und lärmabweisendes Material, das genauso praktisch ist wie Styropor, aber zu hundert Prozent kompostierbar und wesentlich energiesparender, weil der Pilz die Herstellung übernimmt.
Graphen
Härter als Stahl, leitfähiger als Silizium, ultraleicht, biegsam und transparent - Graphen ist wirklich ein Supermaterial. Es besteht aus Kohlenstoff, der so modifiziert wird, dass seine Atome eine besondere einlagige Struktur erhalten: Jedes Atom ist mit drei anderen verbunden. Dadurch entsteht ein wabenartiges Muster, wie bei einem Maschendraht. Möglich machten dies die Wissenschaftler Andre Geim und Konstantin Novoselov im Jahr 2004. Ihre Arbeit war so bahnbrechend, dass sie sechs Jahre später den Nobelpreis in Physik erhielten und die Graphen-Forschung boomte. Unter anderem biegsame Displays für Smartphones und leistungsstärkere Computerchips könnte man aus Graphen fertigen. Bis dahin sind aber noch einige Hürden zu überwinden. Um das Supermaterial für die Industrie zu nutzen, muss es in großen Mengen herstellbar sein. Dafür fehlt noch das optimale Verfahren. Die EU will deshalb in den nächsten zehn Jahren eine Milliarde Euro an Fördergeldern für die Graphen-Forschung zur Verfügung stellen.
Zusammengestellt von Julia Backes, Isabel Herwig und Stephanie Kirchner