Schlimmer als die Hölle

Ehemalige libanesische Gefangene zeigen in einer Theaterperformance, was sie überlebt haben: die Folter in syrischen Gefängnissen

Eine Berliner Theaterbühne im Mai 2013. 45 Minuten lang ist nichts zu hören als das rhythmische Klatschen von Schlagstöcken auf Rücken und Fußsohlen, gebellte Kommandos, Beschimpfungen, Schreie, Flehen und wieder Schläge. Was die Zuschauer zu sehen bekommen, ist eine Performance - aber kein Spiel. Es ist ein Morgen im berüchtigten Tadmor-Gefängnis in Palmyra, Syrien. Jedes Mal, wenn die Gefangenen ihre Zellen verlassen, hagelt es Schläge von den zwei Wärtern, sind sie den Demütigungen und der stumpfen Gewalt ihrer Peiniger ausgeliefert und müssen ihnen bei der Quälerei von Mitgefangenen assistieren.

Die Darsteller haben dies alles am eigenen Leib erlebt. Sieben ehemalige politische Gefangene, die in den Wirren des libanesischen Bürgerkriegs in syrische Gefängnisse verschleppt wurden, zeigen in diesem von der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Deutschen Evangelischen Kirchentag unterstützten Gastauftritt, welche schrecklichen Szenen sich dort abspielten und Alltag waren.

"Nach den Vorstellungen ist es immer ganz still", berichtet Ali Abou Dehn, der Sprecher der Gruppe und Leiter der Vereinigung für ehemalige libanesische politische Gefangene in Syrien von seinen Erfahrungen mit dieser drastischen Form des Dokumentartheaters. "Die Zuschauer können für ein paar Minuten nicht sprechen. Man sieht viele weinen. Dann kommen die Fragen." Die Libanesen beantworten alle, obwohl ihnen das oft schwerfällt. Zum Beispiel die Fragen zu den gezeigten Foltermethoden, dem "Reifen", in dem ein Gefangener fixiert wird, Füße nach oben, und zahllose Peitschenhiebe auf die Fußsohlen bekommt. Oder dem "Deutschen Stuhl" (arabisch "Kursi Almani") - so lautet auch der Titel der Performance - einer Foltermethode, welche die Syrer von der Stasi übernommen haben sollen und bei der man dem Gefangenen mit einem stuhlähnlichen Gerät langsam die Wirbelsäule überdehnt. "Die Folter lebt in meinem Körper weiter", sagt Abou Dehn, "in meinen Füßen, meinen Schultern, meinen Armen - überall."

Zwischen 10 und 15 Jahren saß jeder von ihnen in syrischen Gefängnissen ein. Man warf ihnen vor, mit Israelis kollaboriert zu haben, und folterte sie so lange, bis sie gestanden. Als im Jahr 2000 der syrische Präsident Hafiz al-Assad starb und sein Sohn Baschar Staatschef wurde, ließ dieser im Rahmen einer Amnestie viele politische Gefangene frei, darunter auch Abou Dehn.

"Bevor sie uns gehen ließen", so erzählt er, "verlangten sie von uns, nichts von dem zu berichten, was uns widerfahren war. Wenn wir doch dazu gezwungen würden, sollten wir sagen, dass sie uns gut behandelt hätten." Daran hat sich Abou Dehn nicht gehalten. Er schrieb das Buch "Zurück aus der Hölle" über diese schrecklichen Jahre. Zu reden sei die einzige Rache, die er üben könne, sagt er.

Die deutsche Filmemacherin Monika Borgmann, die seit Jahren im Libanon lebt, ermöglichte schließlich die Produktion der Live-Performance. In Beirut gründete Borgmann UMAM, ein Dokumentationszentrum für die Verbrechen des libanesischen Bürgerkriegs.

Von 1975 bis 1990 dauerte dieser Krieg, in dessen Verlauf das kleine Land sowohl von der israelischen als auch von der syrischen Armee besetzt wurde. Während Israel seine Truppen im Sommer 2000 aus dem Libanon abzog, blieb die syrische Besatzung bis in das Jahr 2005 bestehen. "Dass Libanesen illegal in syrischen Gefängnissen inhaftiert waren und gefoltert wurden, wurde lange verschwiegen", erzählt Borgmann. Während politische Häftlinge, die aus israelischer Haft zurückgekehrt waren, eine monatliche Rente und Wiedereingliederungshilfen in den Arbeitsmarkt erhielten, bekamen jene aus Syrien keinerlei Hilfen und auch keine öffentliche Aufmerksamkeit.

622 Libanesen gelten bis heute als in syrischen Gefängnissen verschollen. "Solange ihr Schicksal nicht geklärt ist", sagt Abou Dehn, "sind wir anderen nicht wirklich frei." Mit der drastischen Inszenierung ihrer Folter-erlebnisse wollen sie über ihr Land hinaus auch international Aufmerksamkeit erregen. Der syrische Bürgerkrieg hat ihren Geschichten zu schauriger Aktualität verholfen. Auch das Tadmor-Gefängnis ist im Jahr 2011 nach Jahren der Schließung wieder in Betrieb genommen worden.