Der 3D-Drucker
Die Renaissance der Produktion vor Ort: Wie wir zu digitalen Handwerkern werden
Die Möglichkeiten einer neuen Technologie liegen nicht nur in dem, was sie kann, sondern auch darin, wie sie unser Denken beeinflusst. Der 3D-Druck ist nicht wirklich eine neue Technologie – patentiert wurde er bereits 1986 –, doch erst in jüngster Zeit lässt er viele von uns erstmals in 3D denken: Wie werden sich durch diese Technologie Fertigungs- und Produktionsprozesse verändern? Welche Gegenstände werden wir künftig mit ihnen herstellen und welche Materialien können verwendet werden?
Im Wesentlichen geht es beim 3D-Druck darum, dass ein Computer ein dreidimensionales Abbild eines Gegenstands in einen Stapel von zweidimensionalen Schichten zerschneidet; in einem zweiten Schritt baut eine Maschine den Gegenstand, indem sie Schicht für Schicht hinzufügt beziehungsweise „druckt“. Der 3D-Druck, manchmal auch „additive manufacturing“ genannt, mutet wie Zauberei an – aus einer digitalen Datei entsteht ein physisches Objekt. Es kann faszinierend sein, einen 3D-Drucker-Roboter in Aktion zu sehen, aber er ist heutzutage immer noch unerträglich langsam und braucht zwischen einer und sechs Stunden, um handflächengroße Objekte zu bauen.
Die 3D-Drucker-Revolution begann 2005 mit einem OpenSource-Projekt namens RepRap. Das Ziel war es, eine Maschine zu entwickeln, die sich selbst reproduzieren konnte – was bislang aber nicht gelang. Der Hardwarehersteller MakerBot brachte 2009 einen ersten Bausatz heraus, mit dem man sich zu Hause selbst einen 3D-Drucker zusammenbauen konnte. Seit 2o12 liefert MakerBot auch fertig montierte Drucker.
In den vergangenen fünf Jahren sind 3D-Drucker für Fans – die häufig „maker“ (Tüftler und Bastler) genannt werden – erschwinglicher geworden. Mit Preisen um die 1.700 Dollar für fertig montierte Geräte mit Eigenschaften, die an die gehobene Konkurrenz heranreichen, befinden sich 3D-Drucker für den Privatgebrauch plötzlich in den Händen von Bastlern, die ihr Potenzial erkunden und mit ihrer Hilfe Ideen in reale Objekte verwandeln. Weitaus teurere 3D-Drucker im industriellen Maßstab sind bislang nur in Fertigungs- und Designzentren zu finden. Industrielle 3D-Drucker sind mit Großrechnern vergleichbar, die neue Generation von Desktop-3D-Druckern dagegen mit Personal Computern, da sie erheblich kleiner, weniger komplex und preisgünstiger sind.
Fast alle 3D-Drucker für Privatnutzer verwenden das FDM-Verfahren (Fused Deposition Modeling), das heißt Kunststofffäden werden erhitzt (oder verschmolzen), lagern sich Tropfen für Tropfen ab und erzeugen so die Schichten eines Objekts. Viele Drucker für den privaten Gebrauch liefern ganz ordentliche Ergebnisse, der springende Punkt für Nutzer sind jedoch die Software und die Bedienungsanleitung, denn diese richten sich noch immer an Tüftler, die willens sind, sich stundenlang in die Dinge einzuarbeiten. Die Käufer von 3D-Druckern seien hiermit gewarnt: Die Geräte zu installieren und zu warten, ist erheblich schwieriger als bei gewöhnlichen Druckern.
Dennoch sind neue Technologien in der Entwicklung, die bessere Ergebnisse versprechen: etwa der Form 1 von FormLabs, ein Stereolithografie-Drucker. Er verwendet ein flüssiges Photopolymer, das bei Kontakt mit Laser-UV-Licht aushärtet und eine Objektschicht bildet, die sich langsam von der Flüssigkeit absetzt. So lassen sich Objekte herstellen, die weitaus professioneller aussehen. Ein Typ des industriellen 3D-Druckers, der auch bei hoher Beanspruchung zuverlässig arbeitet, ist die Selektive Laser-Sinter-Anlage. Bei diesen Geräten wird ein Bett aus Harzpulver erhitzt, leistungsstarke Laser umreißen das Objekt und härten die Schicht, bevor die nächste Puderschicht aufgetragen und der Prozess sukzessive wiederholt wird.
Künftig könnten solche Technologien auch privaten Nutzern zur Verfügung stehen. Denn der Umsatz von 3D-Druckern für den privaten Gebrauch ist mittlerweile höher als der Umsatz von industriellen Versionen. Funktionen aus industriellen 3D-Druckern werden verstärkt in 3D-Druckern für Privatkunden eingesetzt, zumal einige wichtige Patente im nächsten Jahr auslaufen, sodass die zugrunde liegenden Techniken nachgebaut und von anderen Herstellern genutzt werden können.
Es gibt zwei Möglichkeiten, eine Vorlage für den 3D-Druck zu kreieren. Im einen Fall entwirft man ein eigenes 3D-Modell mithilfe spezialisierter Designprogramme, was Neulinge allerdings vor eine große Herausforderung stellt. Alternativ kann man mithilfe eines 3D-Scanners das virtuelle Abbild eines tatsächlichen Gegenstands kreieren. So kann etwa, um ein beliebtes (und amüsantes) Beispiel zu nennen, der Kopf einer Person gescannt und dann im kleineren Maßstab ausgedruckt werden. Statt sein eigenes Modell zu erschaffen, ist es aber auch möglich, auf Webseiten wie Thingiverse.com nach Vorlagen zu suchen, auf denen Menschen die von ihnen kreierten 3D-Modelle teilen. In Zukunft werden Firmen vermutlich Lizenzen für 3D-Modelle vergeben, indem sie deren Logos oder Kataloge mit deren Teilen als 3D-Entwurfsdateien zum Download bereitstellen, die Kunden herunterladen und zu Hause ausdrucken können. Absehbar ist auch, dass es dabei zu Konflikten kommen wird zwischen der Neigung vieler Internetuser, Dateien frei zu teilen, und den Interessen von Firmen und Entwicklern, die den Schutz ihres geistigen Eigentums beanspruchen werden.
Der 3D-Druck bedeutet vor allem in der Herstellung von Prototypen eine Revolution, da er die rasche Entwicklung und Wiederholung für alle möglichen Arten von Produkten ermöglicht. Wie ein Bild kann ein Prototyp mehr als tausend Worte sagen, wenn er die eigenen Absichten korrekt wiedergibt. Prototypen können in der realen Welt getestet und von anderen inspiziert werden. Dank der raschen Wiederholbarkeit können Entwürfe schnell und einfach verbessert werden, bevor sie in Serie gehen. Die Anfertigung von Prototypen ist damit nicht nur günstiger und produziert weniger Materialabfall, sondern ist außerdem für immer mehr Menschen erschwinglich. So entwickeln Designer und Möchtegern-Erfinder neue Prototypen für Produkte, um ihre Ideen am Markt zu testen – oft mithilfe von Crowdfunding-Webseiten wie Kickstarter.com, um das nötige Kapital für die Herstellung aufzubringen. Vor zehn Jahren noch hätten sie Teil eines größeren Unternehmens sein oder ihre Idee lizensieren lassen müssen, heute dagegen können sie diese eigenständig entwickeln – und müssen dafür nur einen Bruchteil des früher benötigten Kapitals aufbringen.
Manchen Vorhersagen zufolge wird das 3D-Drucken auch zu einer Revolution in der Herstellung und einer Welt individualisierter und weitverbreiteter Produktionsprozesse führen. Was wäre, wenn Millionen von Menschen selbst ein einzelnes Objekt zu Hause herstellen könnten, anstatt dass Millionen von Teilen in einer zentralen Fabrik in China hergestellt werden? Und wenn nicht zu Hause, dann vielleicht in einem lokalen Fertigungszentrum, das so ähnlich wie ein Copyshop aussehen könnte? Anstatt Energie aufzuwenden und materielle Güter von A nach B zu transportieren, lädt der Nutzer einfach nur Design-Dateien aus dem Internet herunter. Jede und jeder von uns betreibt seine oder ihre eigene Fabrik, genau so, wie wir einen Computer besitzen. So erleben wir eine Renaissance der Produktion vor Ort. Die Kehrseite der Medaille besteht allerdings darin, dass durch diese Revolution Herstellungsprozesse weiter automatisiert und möglicherweise die Arbeitsplätze von Menschen vernichtet werden, die heute Produkte montieren und zusammensetzen.
Welche Konsequenzen hat es, wenn man ein Objekt selbst gestalten und herstellen kann? Was passiert, wenn man 3D-Modelle entwirft, die nur mit einem 3D-Drucker gedruckt werden können? Wie verändert sich der Entwurfsprozess, wenn man Prototypen schnell herstellen und immer wieder leicht korrigiert wiederholen kann, um einen Entwurf zu verbessern? Die meisten auf einem privaten 3D-Drucker hergestellten Gegenstände bestehen aus Plastik. Auf industrieller Ebene sind jedoch eine Vielzahl von Materialien verfügbar, darunter auch Metalle. Ein Künstler könnte etwa eine Skulptur aus Plastik fertigstellen, das Modell dann jedoch an einen Service wie Shapeways schicken, der das Objekt in Gold druckt. Wir fangen gerade erst an zu begreifen, was diese neuen Möglichkeiten für Anwendungen von Spielwaren bis hin zur Medizin bedeuten.
Der Amerikaner Wayne Losey etwa hängte seinen Job bei einer Spielzeugfirma an den Nagel, um seinen Traum verwirklichen und auf eigene Faust Spielzeug entwickeln und verkaufen zu können. Er gründete das Unternehmen Modibot (modibot.com). Eine von Loseys Actionfiguren wird in 3D gedruckt, ebenso eine Palette an 3D-Teilen, mit denen sich ein Spielzeug leicht abwandeln lässt. Eines Tages, so hofft er, werden diejenigen, die mit seinen Spielwaren spielen, neue Teile auf 3D-Druckern zu Hause ausdrucken können.
Auch Kacie Holtgren benutzt für die Herstellung von Sammlerstücken den 3D-Drucker: Auf pretty-small-things.myshopify.com verkauft sie selbst entworfene Möbel für Puppenhäuser. Die New Yorker Bühnenbildnerin stellt auch in ihrem Hauptberuf maßstabsgetreue Sets mithilfe eines 3D-Druckers her. Ihre Entwürfe teilt sie auf Thingiverse.com und hat daneben einen Laden, in dem sie die fertigen Stücke verkauft. Liebhaber von Modelleisenbahnen und andere Sammler verwenden 3D-Drucker, um die unterschiedlichsten Dinge zu erschaffen, die sie in der Vergangenheit vielleicht gekauft hätten.
Industrielle 3D-Drucker kommen heutzutage schon bei der Fertigung von Prothesen und Orthesen (Hilfsmittel zur Stabilisierung oder Führung von Gliedmaßen oder des Rumpfs) zum Einsatz, wo sie im Gegensatz zu den handelsüblichen Small-, Medium- und Large-Größen passgenaue Formen schaffen. Der Südafrikaner Richard van As initiierte vor Kurzem das RoboHand-Projekt (robohand.blogspot.com) und schuf eine Roboterhand, nachdem er bei einem Unfall vier Finger verloren hatte. Andere Interessierte schalteten sich ein und bald war van As mit Menschen vernetzt, die selbst eine maßgefertigte Prothese benötigten. Auch die Robotertechnik hat sich mithilfe von 3D-Druckern weiterentwickelt. So baut Chuck Fletcher seinen lebensgroßen humanoiden Roboter mithilfe von 3D-gedruckten Teilen als Open-Source-Projekt (inmoov.blogspot.com).
Immer wenn ich einen Vortrag halte, frage ich das Publikum, wie viele einen 3D-Drucker haben. Unter einigen Hunderten Besuchern gehen ein paar Hände nach oben. Wenn ich frage, wie viele gerne einen 3D-Drucker hätten, gehen fast alle Hände nach oben. Viele Menschen beschäftigen sich offenbar damit, was sie mit 3D-Druckern alles tun könnten. Mit sinkenden Preisen von 3D-Druckern für Privatnutzer und größerer Benutzerfreundlichkeit werden wir erleben, dass immer mehr Menschen ihre Ideen in 3D ausdrücken und virtuelle Modelle schaffen, die als reale Dinge gebaut werden können.
Aus dem Englischen von Claudia Kotte