Spott und fröhliche Farben
Mit Handwerkskunst und einer Vorliebe für das Lästern haben sich Dorfbewohner in Rumänien einen einzigartigen Friedhof geschaffen
„Unter diesem schweren Kreuz / Liegt meine arme Schwiegermutter. / Hätte sie noch drei Tage gelebt, / Würde ich hier liegen / Und sie würde dieses Gedicht lesen.“ So wie diese Klageverse einer geplagten Schwiegertochter, sind viele Inschriften auf den Grabstelen des „Fröhlichen Friedhofs“ in Sapanta ganz schön frech. Das alte Dorf liegt in der historischen Provinz Maramures, direkt am Fluss Theiß nahe der ukrainischen Grenze. Solide Bauernhäuser mit massiven handgeschnitzten Holztoren in rustikalem Stil reihen sich auf beiden Seiten der Hauptstraße. Für rumänische Standards ist Sapanta wohlhabend. Viele kleine und mittelständische Unternehmen beschäftigen sich mit der Holzbearbeitung, die Nähe zu Städten macht das Pendeln möglich. Die meisten der rund 3.000 Dorfbewohner bekennen sich zum orthodoxen Christentum.
Die junge Tradition der hölzernen Grabstelen mit derben Epitaphen gibt es nur hier. Sie geht auf das Jahr 1935 zurück. Damals meißelte ein Dorfbewohner namens Stan Ioan Patras die erste ironische Inschrift ins Holz. Dazu angestiftet hatte ihn der Priester Grigore Ritiu, ein Literaturbegeisterter, der gleichzeitig an der Dorfschule Rumänisch und Latein unterrichtete. Langsam wurden die Kreuze des Volkskünstlers zum Trend. „Bereits in den 1960er-Jahren wollte jeder so ein Kreuz aus Eichenholz“, erinnert sich Dumitru Pop, der das Schnitzen von Patras erlernte und ihm 1977 selbst ein buntes Kreuz mit Versen fertigte: „Mein ganzes Leben lang / Habe ich nur Gutes getan, / Jedem habe ich geholfen, / Der mich brauchte“, huldigte der frühere Lehrling seinem verstorbenen Meister.
Heute gibt es auf dem Fröhlichen Friedhof rund 800 Kreuzepitaphe, fast alle von Patras oder Pop geschnitzt. Noch immer traut sich kaum jemand, Pop sein Arbeitsgebiet streitig zu machen. Zwei bis drei Tage Arbeit stecken in einem einfachen Auftrag, den ihm in der Regel die Familien Verstorbener erteilen, aber in den letzten Jahren auch zunehmend „Auswärtige und Prominente“. Doch „egal, was sie zahlen, bei den Texten haben sie nichts zu sagen, ich entscheide das allein“, versichert der Künstler.
In weißen Buchstaben auf tiefblauem Hintergrund – ein Farbschema, das auf die Wandmalereien in den orthodoxen Kirchen zurückzuführen ist – stehen die Worte unter einem geschnitzten Porträt. Ein bisschen naiv, aber ungeschminkt geben sie Auskunft über die toten Dorfbewohner: „Hier ruhe ich / Und heiße Stan Toader, / Solange ich noch am Leben war, / Trank ich gerne Schnaps und Wein“, steht an einem der Gräber. Und auch der Wandel des Dorfes lässt sich auf dem Friedhof ablesen: Neue Motive – etwa Autos, moderne Berufe oder selbst die Arbeitsmigration nach Westeuropa – werden auf den Stelen verewigt: „Verfluchter Bus, / Du hast mich in Triest erwischt, / Und sie mussten mich zu meiner armen Mutter schicken / Ohne Geld.“