Abwarten, Tee trinken
Geduld hilft weiter – im Altai-Gebirge genauso wie auf der Berliner Museumsinsel
Ich komme nicht aus einer klassischen Akademikerfamilie. Meine Mutter war Musiklehrerin, mein Vater Soldat und nach dem Krieg bei der Polizei. Meine Eltern interessierten sich jedoch sehr für Geschichte und lasen viel, deshalb bin ich zwischen Stapeln von Büchern zu allen historischen Epochen aufgewachsen. Nach dem Abitur kam der Wehrdienst und ich hatte 15 Monate Zeit, darüber nachzudenken, was ich studieren wollte. Eher durch Zufall kam ich zur Archäologie: In einem Info-Heft wurde der Beruf des Archäologen vorgestellt, und das faszinierte mich sofort. Mir wurde klar, dass in diesem Fach noch viel zu erforschen ist und jede Ausgrabung unser Bild der Vergangenheit verändern kann. Auch haben mich immer fremde Sprachen und andere Kulturen fasziniert.
Während der Schulzeit habe ich Judo als Leistungssport betrieben, täglich trainiert und war die Wochenenden bei Wettkämpfen. Mit demselben Elan begann ich dann mein Studium. Ich erinnere mich gut, wie ich in den Seminaren und Vorlesungen saß und all das Wissen über fremde und vergangene Kulturen gierig aufnahm. Mit 25 habe ich promoviert. Während meines Studiums in München hatte mein akademischer Lehrer Georg Kossack großen Einfluss auf mich, denn er hat uns dieses Fach auf eine ganz besondere Weise nahegebracht: Wir sollten keine reinen Spezialisten werden, sondern im Kontext eines breiten, interdisziplinären Horizonts denken lernen. Nach dem Ende des ersten Semesters fragte mich Kossack, ob ich zu einer Grabung nach Griechenland wollte, was für einen Erstsemester ein Traum war.
Was man als Archäologe braucht, ist Geduld. Von 1997 an verhandelte ich drei Jahre mit Partnern in Iran, um dort ein Forschungsprojekt zur frühen Kupfergewinnung zu beginnen, was für Fragen der Metallversorgung Mesopotamiens von enormer Bedeutung ist. Aber es war ein schwieriger Weg dorthin. Es gab viele freundliche Gespräche mit Regierungsvertretern, die uns lange hinhielten, ehe es dann doch konkret wurde. Wer im Ausland arbeiten und dort Kooperationspartner gewinnen will, muss stets diplomatisch vorgehen, schließlich sind wir in diesen Ländern Gäste. Dabei ist es wichtig, dass man den Partner respektiert und auch als Wissenschaftler ernst nimmt, mit westlicher Überheblichkeit gewinnt man kein Vertrauen.
Es gab Augenblicke bei Ausgrabungen, die wirklich sensationell waren: Dazu gehört natürlich die Entdeckung einer Eismumie im Altai-Gebirge. Oder als wir im südsibirischen Tuva auf ein Fürstengrab der Skythen mit fast 6.000 Goldobjekten stießen. Als wir das skythische Fürstengrab entdeckten, wussten wir zwar, dass es nicht beraubt worden war. Dennoch hatten wir nicht erwartet, dass es sich um einen so bedeutenden Fundkomplex handeln wurde. Für solche Ausgrabungen nimmt man manchmal auch schwierige Bedingungen auf sich. Im Altai-Gebirge hatten wir nachts im Zelt Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Es gab meist nur schwarzen Tee und Buchweizengrütze. Aber die Entdeckungen entschädigen dann für vieles.
Wenn ich heute auf mein bisheriges Leben blicke, bin ich ganz zufrieden. Die von mir aufgebauten internationalen Kooperationen mit Russland, Iran und anderen Ländern haben sich sehr gut weiterentwickelt. Als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz besteht meine Arbeit heute mehr aus Kulturpolitik und Management, aber auch hierbei sind funktionierende internationale Netzwerke entscheidend. Daneben forsche ich noch ein wenig und gehe auch auf Ausgrabungen, wenngleich meine Aufenthalte dort erheblich kürzer sind als früher. Die Archäologie ist heute eine Art geistiger, der Judosport eine Art körperlicher Ausgleich für meine eigentliche Arbeit bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die ich liebe, die aber auch viel Kraft kostet und rund um die Uhr läuft.