... Hongkong?

Seit März diskutieren wir in Hongkong über die Kultur der inflationären Überstunden. Nachdem ein Fahrer des Busunternehmens KMB aus Übermüdung einen Unfall mit vielen Toten verursacht hatte, stellte sich heraus, dass er über zwölf Stunden am Stück arbeiten musste.

Und nicht nur unter Busfahrern, sondern in fast allen Arbeitsverhältnissen gehören Überstunden selbstverständlich dazu. Hongkong gilt weltweit als Stadt mit den meisten Menschen, die über fünfzig Stunden pro Woche arbeiten. Leistung ist hier alles, und das von Kindesbeinen an: Bevor Kinder in die Schule kommen, müssen sie mindestens schon Lesen, Schreiben, die Grundrechenarten und eine Fremdsprache beherrschen. Alles ist ein Wettbewerb, ganz nach der Logik: Wer früher anfängt und länger bleibt, kommt weiter als die anderen.

Traditionell sind viele Hongkonger sehr hierarchietreu. Man glaubt, dass sich nur Unruhestifter gegen Arbeitsbedingungen wehren. Wörtlich übersetzt sagen wir auf Kantonesisch „Sie haben kein Gas“, das heißt, sie stehen nicht für sich selbst ein. Doch jetzt findet langsam ein Umdenken statt. Meine Generation will sich nicht mehr mit allen Bedingungen abfinden. Viele von uns haben im Ausland studiert oder gearbeitet und wissen, dass es auch anders geht. Darum werden kritische Stimmen immer lauter.

Protokolliert von Gundula Haage