Schotterpiste, ade
Armut, Krankheit, keine Schulen – lange war der Norden Ghanas in der Entwicklung des Landes außen vor. Doch der Ausbau der Fufulso-Sawla-Straße hat alles verändert
Es ist noch nicht lange her, da galt die Straße zwischen den beiden Städten Fufulso und Sawla im Norden Ghanas als unbefahrbar. Die wenigen Autos, die auf der rund 150 Kilometer langen Schotterpiste verkehrten, verendeten regelmäßig mit platten Reifen und Achsenbrüchen. Und die Menschen, die abseits der Straße lebten, trugen Kunststoffmasken, weil der Staub, den die großen Lastwagen aufwirbelten, Tag und Nacht in der Luft lag.
Anwohner wie Sule Osman erinnern sich nur zu gut an diese Zeit. „Für jeden, der zwischen den Städten pendeln musste, war es ein echter Höllentrip!“, erzählt er. Auch die ghanaische Wirtschaft litt unter dem Verfall der „Fufulso-Sawla Road“: Da die Straße Tamale, Damongo und Wa, die drei Hauptstädte der nördlichsten Regionen des Landes, miteinander verbindet, bestimmt ihr Zustand den Handel in Nordghana – und das Leben der dort ansässigen Menschen.
Noch im Jahr 2010 waren die Landwirte, die am Rande der Fufulso-Sawla Road arbeiteten, von den großen Märkten der umliegenden Städte abgeschnitten. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als ihre Produkte lokal zu verkaufen. Der Großteil ihrer Erträge verrottete vor den Toren ihrer Höfe. Und je schlechter befahrbar die Straße wurde, desto mehr wurden auch die Dörfer in der Umgebung vom Rest des Landes isoliert. Lehrer, Ärzte, Krankenschwestern und andere Dienstleister blieben lieber in den großen Städten und die soziale Infrastruktur der Gemeinden verkümmerte. Im Umkreis der Straße mangelte es sowohl an Schulen als auch an Krankenhäusern und einer zuverlässigen Stromversorgung. Nirgendwo in Ghana lag die Müttersterblichkeit höher als hier und auch der Guineawurm, eine durch verschmutztes Wasser übertragene parasitäre Krankheit, war weit verbreitet.
Rund zehn Jahre später ist all das für jemanden, der auf der neuen Fufulso-Sawla Road verkehrt, kaum mehr vorstellbar. Am Rande der heute glatt asphaltierten, zweispurigen Straße stehen die Verkaufsläden der „Kibe Biche“, der lokalen Straßenhändler, die allerlei Waren feilbieten; an den wichtigen Kreuzungen bei Damongo und Sawla, dort wo früher nur vereinzelte Lastwagen fuhren, sind mittlerweile so viele Autos unterwegs, dass sich der Verkehr staut; und selbst bei Nacht schweigt die Fufulso-Sawla-Straße nicht mehr. Rund um die Uhr jagen Autos von A nach B und selbst nach Mitternacht stehen junge Frauen noch mit Körben im Licht der neuen Straßenlaternen und verkaufen Fisch, Eier, gebratenes Fleisch und Eiswasser.
Möglich gemacht hat diese unvorstellbare Transformation ein großes Projekt der Afrikanischen Entwicklungsbank, die der ghanaischen Regierung 2013 rund 150 Millionen Euro für die Sanierung der Hauptverkehrsrouten des Landes zur Verfügung stellte. Neben der Sanierung der Nord-Süd-Route, die von der ghanaischen Hafenstadt Tema ins Landesinnere nach Tamale und von dort nach Burkina Faso führt, floss der Großteil dieses Geldes in die Wiederbelebung der Fufulso-Sawla Road. Im Gegensatz zu ihrer Handhabung früherer Verkehrsprojekte stellte sich die ghanaische Regierung dieses Mal allerdings geschickter an: Anstatt ihr Budget einzig und allein für den Ausbau der Straßen aufzuwenden, investierte sie gleichzeitig in die soziale Infrastruktur der an die Verkehrsadern angebundenen Verwaltungsbezirke.
In den Gemeinden Fufulso, Sawla, Janikura, Damongo, Kojope und vielen anderen wurde nicht nur die Fahrbahn saniert, es wurden auch neue Kliniken und Schulen gebaut. In der Savannah-Region ist dadurch nun laut Aussage des lokalen Krankenhauspersonals eine bessere Gesundheitsversorgung möglich. „Wir haben zum Beispiel Geld für solarbetriebene Kühlschränke bekommen, in denen wir wichtige Impfstoffe lagern können“, berichtet eine Krankenschwester vor Ort. Und auch für die Kinder, die in der Nähe der Fufulso-Sawla Road leben, hat das groß angelegte Modernisierungsprojekt einiges verändert. Wo sie vorher noch traditionell bei brütender Hitze im Schatten großer Bäume unterrichtet wurden, gibt es nun in mehreren Gemeinden entlang der Straße richtige Schulgebäude. Auch Sule Osman, der ebenfalls in der Savannah-Region lebt, hat die Veränderung mitbekommen: „Es gibt neue Schulen, neue Märkte, mehr Trinkwasser und eine bessere Stromversorgung. Das macht uns glücklich.“
Die Reisezeit zwischen Fufulso und Sawla hat sich durch den Ausbau der ehemaligen Schotterpiste von rund fünf Stunden auf weniger als zwei Stunden verkürzt. Großkonzerne wie Unilever, Guinness Ghana und Fan Milk, die in den Großstädten Accra und Kumasi ansässig sind, können ihre Produkte heute erstmals entlang der Fufulso-Sawla-Route transportieren. Lebensmittel wie Yamswurzel und Getreide können endlich ohne Komplikationen vom Norden des Landes in die südlichen Regionen Ghanas und in die Sahelzone geliefert werden. Glaubt man einem Bericht der „Ghana Highway Authority“, in dem der Einfluss der Straßensanierung evaluiert wird, dann hat der Ausbau der nördlichen Verkehrsader und der umliegenden Gemeinden „das Leben der ländlichen Bevölkerung unmittelbar verändert, eine Grundversorgung an Medizin und Bildung bereitgestellt und die gesamte Region für den intra- und internationalen Handel geöffnet“.
Ganz unwidersprochen kann man diese Einschätzung der ghanaischen Regierungsbehörde aber trotz der unstrittigen Erfolge des Projekts nicht stehen lassen. Zwar stimmt es, dass die Region von der Eröffnung der neuen Fufulso-Sawla Road stark profitiert hat – nicht zuletzt weil die verbesserte Erreichbarkeit von Damongo und den umliegenden Wildreservaten und Nationalparks viel Geld in die Kassen der lokalen Tourismusbranche gespült hat. Andererseits hat der Ausbau der Straße aber auch zu problematischen und unerwarteten Folgeerscheinungen geführt.
Eine dieser Folgeerscheinungen ist der Anstieg der Verkehrsunfälle in der Region. Viele Fahrer sehen die sanierte Straße als Einladung, noch schneller zu fahren als üblich, was in der jüngeren Vergangenheit immer wieder für tödliche Unfälle gesorgt hat. Gleichermaßen besorgniserregend ist die Tatsache, dass die Restauration der Strecke und die damit verbundene Zunahme des Geschäftsverkehrs dazu geführt hat, dass die Straße zunehmend zum Schauplatz bewaffneter Raubüberfälle geworden ist. Erst vor Kurzem verstärkte die ghanaische Polizei deshalb ihre Präsenz in der Region. Und zu guter Letzt befürchten viele Anwohner, dass der neue Glanz ihrer ehemaligen Schotterpiste schon bald wieder verflogen sein könnte. So etwa der Bürgermeister des Distrikts West Gonja, Saeed Muhazu Jibril, der zuletzt kritisierte, dass der Streckenabschnitt zwischen Damongo und Sawla nur drei Jahre nach seiner Einweihung schon wieder baufällig sei.
Tatsächlich bleibt es abzuwarten, ob sich die ghanaische Regierung nach der erfolgreichen Wiederbelebung der Fufulso-Sawla Road auch bei ihrer Instandhaltung mit Ruhm bekleckert oder wieder allzu schnell in alte Verhaltensmuster zurückfällt. Die Verschwendung öffentlicher Gelder im Straßenbau und mangelhafte behördliche Aufsicht bei der Umsetzung von Großprojekten sind in Ghana keine Seltenheit. Doch selbst wenn die Fufulso-Sawla Road wieder zur Schotterpiste werden sollte: Für den Moment darf man sich im Norden Ghanas noch freuen über die Straße, die – und wenn auch nur für kurze Zeit – alles veränderte.
aus dem Englischen von Karola Klatt