Verkehr

Eine Beziehung zum Fluss

Der Kapitän Seín Pérez fährt seit vielen Jahren Güter und Personen über den Amazonas

Wie eine Schlange windet sich der Amazonas in der peruanischen Provinz Loreto durch den Regenwald, der mit kleinen Siedlungen gespickt ist, von denen einige kaum mehr als drei oder fünf schlichte Hütten zählen. Die Entfernungen von einem Dorf zum nächsten sind gewaltig, umso mehr, wenn man bedenkt, dass sie nicht durch Straßen, sondern nur durch den mäandernden Fluss miteinander verbunden sind, dessen unzählige Windungen die Strecken oft verdoppeln.

Der Kapitän Seín Pérez kennt den Amazonas wie kein Zweiter: Schon als Kind habe er seinen Vater, der ebenfalls ein Schiffer war, gern auf seinen Reisen über die Flüsse der Region begleitet; dabei habe er eine besondere Beziehung zum Fluss, zum Wald und zu den Uferbewohnern entwickelt, erzählt er. Mit zwanzig begann er seine Ausbildung an der Schifferschule und mit 28 Jahren wurde er bereits zum Kapitän befördert.

Heute ist Pérez Kapitän der Eduardo III, eines 1.300-Tonnen-Stahlschiffs, das zwischen den Städten Yurimaguas im hoch gelegenen Regenwald und Iquitos im Herzen des tief gelegenen Regenwaldes Güter und Passagiere befördert. Die Fahrt flussabwärts dauert drei Tage. Fahrpläne gibt es nicht, das Schiff legt ab, wenn es genug geladen hat. Pérez befehligt die Eduardo III seit vielen Jahren. »Auf den Flüssen Amazoniens ist das, was zählt, die Erfahrung«, sagt Pérez. Die Schifffahrt im Amazonasgebiet mit ihren vielen seichten Stellen erfordert eine sehr genaue Kenntnis der Strecke und des »Verhaltens« des Flusses, der nicht nur mit den Jahreszeiten Lauf und Rinne ändert, sondern auch mit den Jahren. Er betont, sein Navigationsgeschick beruhe mehr auf den eigenen Kenntnissen als auf elektronischen Navigationsgeräten. Natürlich bediene man sich aber immer eines kleinen Schiffes, das den Weg auskundschaftet. Dieses kleine Boot zeige an, wo sich die tiefe Hauptrinne befinde, durch die die Eduardo III steuern muss.

»Keine Fahrt ist wie die vorherige«, erzählt Pérez. Einmal habe er 200 Passagiere – so viel wie nie zuvor – transportiert. Sie wollten von Brasilien und Kolumbien nach Lima, um die Spiele der Copa América zu sehen. Die meisten von ihnen waren Fans ihrer jeweiligen Nationalmannschaft und die Fahrt war daher sehr lebhaft.

In all seinen Berufsjahren sei er nur einmal von einem Unfall direkt betroffen gewesen. Auf halber Strecke zwischen Yurimaguas und Iquitos sei der Treibstoff ausgegangen und sein Schiff der starken Strömung des Amazonas ausgeliefert gewesen. Bevor sie am Ufer festmachen konnten, lief das Schiff auf eine Sandbank auf, kippte und wäre beinahe vollständig gekentert. Zum Glück kamen Passagiere und Mannschaft mit einem großen Schrecken davon und wurden später von dem gestrandeten Schiff gerettet. Das sei der dramatischste Moment in seinem ganzen Schifferleben gewesen.

Doch die Zeit für Schiffe wie die Eduardo III könnte bald vorbei sein. Die Regierung plant, fünf der wichtigsten Flüsse des Amazonasgebiets auszubaggern. Seín Pérez sagt, er hoffe, dass die notwendigen technischen Studien gemacht worden seien, um der Region dadurch keinen Schaden zuzufügen. Dass die Ausbaggerung neue Reedereien mit wesentlich größeren Schiffen anziehen könnte, die zwischen Belém do Pará an der brasilianischen Atlantikküste und Yurimangas verkehren, sorgt ihn hingegen wenig. Bis das geschieht, wird der Verkehr auf dem peruanischen Abschnitt des Amazonas weiter wie immer verlaufen: auf Schiffen wie der Eduardo III, wo auf den oberen Decks Passagiere ihre Hängematten festmachen und sich auf den unteren Decks Waren stapeln, die Träger in den Häfen entlang der Route be- und entladen.

 

Aus dem Spanischen von Laura Haber