Iraner erzählen von Iran

„Kontrollierte Freiräume“

1998 ermordete der iranische Geheimdienst die Eltern von Parastou Forouhar. Diese Erfahrung prägt die Arbeit der Künstlerin bis heute. Ein Gespräch über den alten und neuen Umgang des iranischen Regimes mit Kritik

Frau Forouhar, Sie hatten kürzlich Ihre erste Einzelaustellung in Iran, nachdem dies jahrelang wegen der Zensur nicht möglich war. Wie kam es dazu?

Bisher waren meine Werke in Iran im Rahmen größerer Gruppenausstellungen gezeigt worden, damit sie nicht zu sehr im Fokus stehen und unter Umständen Verbote nach sich ziehen. Aber seit einigen Jahren lockert der Staat die Kontrolle über die Galerien. Früher brauchten sie für jede Ausstellung eine Genehmigung der Zensurbehörde des Kulturministeriums. Heute sind die Galerien selbst für die Arbeiten verantwortlich. Natürlich begutachten Beamte die Ausstellungen und es gibt immer wieder Aufforderungen, bestimmte Werke zu entfernen. So zeigt der Staat seine Macht. Wir haben meine Ausstellung nur für fünf Tage angesetzt, um die Provokation nicht auf die Spitze zu treiben. Es war ein erster Schritt, um zu schauen, ob es möglich ist. Es war ein Risiko, aber es hat geklappt.

Was war in der Ausstellung zu sehen?

Die Werke waren kritische Arbeiten wie das Stoffmusterbuch oder die Schmetterlingsserie, in der in Ornamenten Mord- und Folterszenen zu sehen sind. Die ornamentalen Strukturen bilden in meinen Arbeiten Parallelen zu totalitären Strukturen, die keine Änderungen zulassen.

Wie waren die Reaktionen der Öffentlichkeit?

Am meisten hat uns gefreut und überrascht, dass es überhaupt möglich war, solche Werke zu zeigen. Für mich war es spannend zu sehen, dass sich die Besucher mit meiner Kritik an festen Strukturen auseinandergesetzt und sie im Rahmen der Möglichkeiten diskutiert haben. Ich bin außerdem in Kontakt mit jüngeren iranischen Kunstschaffenden gekommen. Es gab auch zwei kurze Texte über meine Arbeit in iranischen Fachzeitschriften. Gleichzeitig muss ich erwähnen, dass kurz nach meiner eigenen die Ausstellung eines Fotografen eröffnet werden sollte, was aber verboten wurde. Das zeigt, dass man nicht von einem Beispiel wie meinem darauf schließen kann, dass die Situation in Iran heute wirklich frei ist.

Wer entscheidet, was in Iran gezeigt wird und was nicht?

Meiner Beobachtung nach ist die Strategie momentan, eine Balance zwischen Öffnung und Zensur herzustellen. Es gibt immer wieder exemplarische Verbote, aber dort, wo große Aufmerksamkeit herrscht – ich etwa habe einen bekannten Namen; auch im Ausland wird wahrgenommen, wenn eine meiner Ausstellungen verboten wird –, sind die Kontrollorgane vorsichtiger. Doch es gibt immer wieder Attacken der Zensur, damit die Menschen in der  Kunst- und Kulturszene nicht beruhigt ihrer Arbeit nachgehen können, sondern immer das Damoklesschwert der Verbote spüren.

Von einer Entspannung im Umgang des Regimes mit kritischer Kunst kann man also nicht sprechen?

Nein. Es geht darum, immer zu kontrollieren und gleichzeitig nicht zu viel Widerstand zu erzeugen. Diese Strategie der kontrollierten Freiräume habe ich in unterschiedlichen Bereichen beobachtet. Die Behörden wollen Konfrontationen verringern und die Zensuraufgabe auf die Schultern der Akteure legen. Das ist letztlich eine freiwillige Selbstzensur. Andererseits, wenn es eine Öffnung gibt, egal aus welchem Grund, können kritische Künstler und Intellektuelle das nutzen und ihre Präsenz stärken. Wie dieses Hin und Her weitergeht, kann ich schwer sagen. Aber man kann nicht von einer ehrlichen Öffnung des Systems sprechen.

Ihre Eltern gehörten in den 1990er-Jahren zur politischen Opposition in Iran und wurden 1998 vom Geheimdienst ermordet. Alljährlich reisen Sie zu ihrem Todestag nach Teheran und richten eine Gedenkveranstaltung aus, welche die Behörden bislang immer zu verhindern suchten. Stellen Sie einen neuen Umgang des Regimes mit Kritik auch hier fest?

Die Erfahrung aus dem November vergangenen Jahres zeigt fast dasselbe Muster. Auch da wollte man kein absolutes Verbot wie in den vorherigen Jahren aussprechen, sondern man hat versucht, gewisse Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Veranstaltung fast unmöglich machten: Man sagte, nur die Verwandten dürfen teilnehmen. Dann wurden die Besucher nur bis etwa 14 Uhr zugelassen. Die Veranstaltung sollte aber erst um 15 Uhr anfangen. Später hat man beide Seiten der Straße verbarrikadiert und, wie in den letzten Jahren auch, die restlichen Besucher nicht hineingelassen. Am Ende sagten die Behörden, dass die Veranstaltung frei zugänglich gewesen sei, aber „nur“ sechzig Leute teilgenommen hätten. Das ist eine Heimtücke, mit der man umgehen muss. Ein Verbot kann man kritisieren und dagegen Stellung beziehen, aber wenn die Verbote verschwommen sind und Rahmenbedingungen geschaffen werden, die weder Freiräume noch Verbote bedeuten, wird man in eine passive Rolle gedrängt.

Wie gehen Oppositionelle in Iran damit um?

Meine Methode war, dass ich alles offengelegt und in Interviews thematisiert habe. Leider ist die Strategie der Behörden, alles so intransparent wie möglich zu machen, bis jetzt immer wieder erfolgreich. Dadurch erscheint der Anschein von Liberalisierung, ohne dass es tatsächlich eine Öffnung gibt. Aber ich hoffe, dies wird nicht auf Dauer so sein.

Sind politische Morde wie die, denen Ihre Eltern zum Opfer gefallen sind, heute in Iran noch möglich?

In den letzten Monaten gab es politische Hinrichtungen in Iran. Solange Hinrichtungen aus politischen Gründen möglich sind, kann man nicht von einem kompletten Kurswechsel sprechen. Es gab auch Verhaftungen und brutale Übergriffe auf politische Gefangene. Sie hatten gegen die Durchsuchung ihrer Zellen protestiert und wurden niedergeschlagen. Deswegen darf man sich nicht ausruhen, sondern muss den Druck auf das System erhöhen, um die Freiräume zu erweitern.

Das Interview führte Rosa Gosch