Innenleben

Nur die Papiere zählen

Der österreichische Staat macht es Menschen schwer, mit einem Partner aus dem Ausland zusammenzuleben. Zwei Betroffene erzählen

Klaus Hübner, 47:

Oyunchimeg und ich haben uns in einem Sushi-Lokal kennengelernt. Sie hat dort gekellnert und ich ging sehr häufig zum Essen hin. Wir haben uns gut verstanden und viel unterhalten. Ich hatte schon immer etwas mehr auf den Rippen und sie hat dafür gesorgt, dass ich mehr gesunde Sachen esse, Gemüse und so. Anfangs dachte ich, sie sei die Frau des Chefs, bis sie mir eines Tages erklärte, dass das nicht stimmte. Da habe ich sie gefragt, ob wir mal zusammen einen Cocktail trinken gehen. Obwohl mir ihr Äußeres von Anfang an gefallen hat, ging das mit dem Verlieben eher langsam – die Liebe ist gereift und gewachsen. Als wir dann 2008 zusammenkamen, war ziemlich schnell klar, dass wir heiraten wollten – und vor allem auch mussten –, denn Oyunchimegs Arbeitsvisum war abgelaufen und ihr Asylantrag wurde abgelehnt. Ich weiß nicht, ob ich sonst so schnell ans Heiraten gedacht hätte. Ich bin schon einmal geschieden und hatte deshalb Vorbehalte gegen die Ehe. Die Unterlagen zusammenzustellen, die wir für die Hochzeit brauchten, hat ein Dreivierteljahr gedauert und war ziemlich teuer. Da Oyunchimeg nicht ausreisen durfte, musste alles aus der Mongolei hierhergeschickt werden. Das größte Problem war, dass die nötigen Dokumente erst in der Mongolei beglaubigt, dann professionell übersetzt und dann noch einmal von der österreichischen Botschaft überbeglaubigt werden mussten. Eine Seite Übersetzung durch einen zertifizierten Dolmetscher kostet etwa 20 Euro – und es waren ziemlich viele Seiten. Dabei hatten wir es eigentlich noch einfacher als andere Paare, die wir kennen. Ich bin Tontechniker und arbeite viel im Ausland. Das Freizügigkeitsrecht der EU erlaubt es mir, mich in jedem Mitgliedsstaat niederzulassen und zu arbeiten. Das hat Auswirkungen auf das Aufenthaltsrecht meiner Frau, die damit sofort ein uneingeschränktes Aufenthaltsrecht innerhalb der EU erhält und kein Visum braucht, das jedes Jahr verlängert werden müsste. Außerdem müssen wir kein Mindesteinkommen vorweisen, wie es normalerweise verlangt wird. Als wir aber den Antrag für eine Aufenthaltsgenehmigung bei den Behörden einreichen wollten, hat man uns nur schief angeguckt und behauptet, so etwas gäbe es nicht. Wir bestanden darauf, dass die Beamten bei der vorgesetzen Dienststelle anriefen, doch sie rieten uns, den Antrag zurückzuziehen, weil man ihn ohnehin negativ bescheinigen würde. Aber da sind sie an den Falschen geraten, ich kann manchmal ziemlich stur sein. Wenn es tatsächlich so weit gekommen wäre, dass meine Frau das Land hätte verlassen müssen, dann wäre ich mit ihr in die Mongolei gegangen. Dieses Jahr fahre ich zum ersten Mal dorthin, mit dem Motorrad, und Oyunchimeg fliegt hinterher. Dann lerne ich endlich ihre Familie kennen.

Oyunchimeg Jambal, 42:

Als ich vor sechs Jahren aus der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar nach Österreich gegangen bin, um dort zu arbeiten, haben meine Eltern mir keine Vorwürfe gemacht. Meine Mutter sagt immer, dass ich selbst entscheiden und mit meinem Leben glücklich sein müsse. Und da hat sie auch recht, schließlich bin ich eine erwachsene Frau. Aber natürlich vermisse ich meine Familie. Und sie vermisst mich. Wir telefonieren und skypen sehr häufig und ich versuche regelmäßig in die Mongolei zu reisen. Besonders fehlte mir meine Familie während der eineinhalb Jahre, die ich auf meine Aufenthaltsgenehmigung warten musste und nicht reisen durfte. Ich fühlte mich wie im Knast, es war eine schreckliche Zeit. Am schlimmsten war, dass ich nichts tun konnte, weil ich keine Arbeitserlaubnis hatte. Klaus hat sehr viel gearbeitet, weil er für uns beide Geld verdienen musste. Ich kannte nicht so viele Leute und war den ganzen Tag allein. Meine einzigen Beschäftigungen waren einkaufen, essen, lesen und telefonieren. Manchmal habe ich im Garten gearbeitet. Wir wohnen in einem sehr schönen Ort und ich bin häufig spazieren gegangen, viele Kilometer pro Tag, bergauf und bergab. Am Ende konnte ich keine Berge mehr sehen. Ich wollte leben, nicht immer nur Deutsch lernen und darauf warten, dass Klaus nach Hause kommt. Wenn er dann kam, war er meistens müde und wollte seine Ruhe. Wir haben uns häufig gestritten. Die Zeit zu Hause hat mich richtig krank gemacht. Als ich dann endlich die Aufenthaltserlaubnis bekam, fühlte ich mich wie neugeboren. Es war ein unbeschreiblich schöner Moment. Mittlerweile arbeite ich wieder in einem asiatischen Restaurant. Eigentlich bin ich Musiklehrerin und würde gern in meinen ursprünglichen Beruf zurückkehren. Dazu muss ich aber noch etwas besser Deutsch lernen.

Klaus Hübner und Oyunchimeg Jambal berichten auch in dem Dokumentarfilm „727 Tage ohne Karamo“ über ihren Kampf mit der österreichischen Bürokratie.
Protokolliert von Christoph Senft und Stephanie Kirchner