Szenen des Protests
Ganz gleich, wo man vor dem Ausbruch der Coronakrise hinschaute: Menschen protestierten. Bartosz Ludwinski fotografiert spannungsgeladene Situationen des Widerstands – vom Westjordanland bis nach Sankt Peter-Ording

Herr Ludwinski, Sie dokumentieren in Ihren Fotos Chaos, Konflikte und Menschen, die sich widersetzen. Warum ist dieses Thema interessant für Sie?
Das Leben ist das reinste Chaos, wir stehen ständig im Konflikt: Mit anderen Menschen, uns selbst, unserer Umwelt. Ich denke, jeder Mensch findet diese Themen spannend, sie bewegen uns.
Manche Ihrer Bilder zeigen gewalttätige Proteste. Wie nah wagen Sie sich an das Geschehen heran?
Ich bin so nah dran, wie ich muss und so weit weg, wie ich kann. Distanz halte ich nur im Kopf. Für mich ist es wichtig, eine gewisse innere Ruhe zu haben und fokussiert zu sein, ohne dabei viel nachzudenken. Das schadet nämlich nur. Bei den G20-Protesten in Hamburg 2017 bin ich konstant dem Unruheherd gefolgt. Viele meiner Bilder entstanden aber abseits des Geschehens, wie zum Beispiel das Foto der Demonstrantin, die ein Selfie vor dem Feuer macht. Solche Szenen finde ich oft spannender, als die in der ersten Reihe.
Sind Sie beim Fotografieren schon einmal in Gefahr geraten?
Jedes Foto, dass ich schieße, hat das Potenzial, mir und anderen Probleme zu bereiten – im Moment des Fotografierens oder wesentlich später. Im Falle des Selfie-Bildes etwa gab es Probleme (an zweiter Stelle in der Fotostrecke oben, Anm. d. Red.). Es war ein Cover für die ZEIT, das Mädchen wurde wiedererkannt und musste sich rechtfertigen. Ihre Erklärung war dann, dass sie das Selfie ihrer Mutter schicken wollte, um Bescheid zu sagen, dass alles okay ist.
Haben Sie ein Lieblingsbild aus Ihrer Bildstrecke?
Das ist schwer zu sagen. Für mich persönlich war die Geschichte, die ich in Palästina fotografiert habe, neu, weil ich noch nie da war. Aber auch die G20 Bilder waren wichtig, weil ich damals zum ersten Mal bewusst dokumentarisch fotografiert habe.
Das Interview führte Leonie Düngefeld