Der Albtraum vom Reisen

Warum Afrikaner selten die Länder ihres eigenen Kontinents besuchen

Bis zu meinem dreißigsten Geburtstag will ich alle 54 Staaten Afrikas bereist haben. Bisher war ich in 17 von ihnen. Mit meinem kenianischen Pass war es relativ einfach, die meisten Grenzen in Süd- und Ostafrika zu überqueren. In Nigeria dauerte es keine zehn Minuten, mir bei der Ankunft ein Visum auszustellen. Doch für ein Visum für Südafrika musste ich erst in ein Visumsbüro, wo man meine Kontoauszüge der letzten drei Monate überprüfte und Nachweise für meine Rückkehr nach Kenia verlangte. In den Südsudan hätte ich als Kenianerin eigentlich problemlos einreisen dürfen. Der Grenzbeamte aber fand es verdächtig, dass ich so viele Stempel in meinem Pass hatte. Erst nach zwei Stunden konnte ich ihn überzeugen, dass ich nur Touristin bin, und bekam meinen Pass zurück.

Ich fürchte, es wird mir nicht gelingen, alle Länder Afrikas zu besuchen. Für Afrikaner ist es ein Albtraum, durch Afrika zu reisen. Ein Grund dafür ist die Rangliste der Pässe: Je höher der Rang, desto mehr Länder darf man bereisen, ohne dass man vorab ein Visum braucht. Ganz oben stehen Lesotho, Swasiland und Südafrika. Der kenianische Pass steht auf Platz acht. Ich darf in 36 Länder ohne Visum einreisen oder brauche erst bei der Ankunft eines. In Dschibuti hat mich das aber neunzig US-Dollar gekostet. Derzeit organisiere ich eine Reise von Kenia aus über Tansania, Malawi, Sambia, Botsuana und Simbabwe. Mein Blogger-Kollege Adesola Okafor aus Nigeria würde gerne mitfahren, doch er braucht nicht nur ein Visum für Kenia, sondern auch für die übrigen Länder. Dafür muss er 300 US-Dollar bezahlen. Schlimmer noch – einige der Staaten haben in seinem Land keine diplomatische Vertretung.

Reisen ist für Afrikaner sehr teuer. Viele sagen sich: Von dem Geld kaufe ich mir lieber ein Stück Land. Ein Flug von Kenia nach Namibia kostet so viel wie ein Flug nach Thailand. Es ist sogar billiger, von Nairobi aus nach Dubai zu fliegen als nach Marokko. Außerdem sind die Verbindungen schlecht: Wenn man von Nairobi in den Tschad fliegen möchte, muss man manchmal einen Umweg über Europa nehmen. Und in einigen Teilen Afrikas kann man nicht sicher sein, dass der Flug überhaupt stattfindet. Sind am gebuchten Tag nicht genug Passagiere da, wird der Flug storniert. 

2017 bin ich auf dem Landweg von Malawi nach Simbabwe gefahren. Die Grenzübertritte verliefen recht problemlos. Also plante ich eine Reise durch Westafrika, von Nigeria bis zur Elfenbeinküste. Ich war allerdings nicht auf das Prinzip des „jungfräulichen Passes“ gefasst, das an manchen Grenzen gilt. Jeder, der das Land zum ersten Mal betritt, muss dafür bezahlen, um seinen Pass „entjungfern“ zu lassen. Dieses Konzept ist lächerlich und garantiert illegal. Meine Blogger-Kollegin Amarachi Ekwekwe aus Nigeria hat mir von ihrer Erfahrung an der Grenze zwischen Nigeria und Benin erzählt: „Es sollte nichts kosten, eine Grenze zu überqueren, aber dem ist leider nicht so. Deshalb kann und sollte man mit den Grenzbeamten feilschen. Wer nicht für den Stempel bezahlen will, muss stundenlang warten.“

Wegen solcher Probleme haben sich manche Afrikaner damit abgefunden, statt durch ihren Heimatkontinent nach Asien, Europa und auf andere Kontinente zu reisen. Es ist billiger und unkomplizierter. Für nur 75 US-Dollar bekommt man ein Schengen-Visum für mehr als zwanzig europäische Länder.

Ich bin für einen visafreien Pass, wie ihn die Afrikanische Union bis 2020 anstrebt. Dieser würde aber nur einen Teil der Probleme lösen. Das Problem der hohen Reisekosten bliebe bestehen. Afrikaner sind einfach nicht die Zielgruppe der Tourismusindustrie, weil sie weniger lukrative Touristen sind. Vielleicht schafft ein afrikanischer Pass eine höhere Nachfrage und macht Afrikaner damit zur Zielgruppe. Aber ich bin trotzdem pessimistisch. Aus Sicherheitsgründen bräuchte man für den neuen Pass biometrische Daten. Derzeit nutzen weniger als zwanzig Länder diese Technologie. Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass irgendein afrikanisches Staatsoberhaupt angesichts der Zunahme von Terrorismus, Fremdenfeindlichkeit und Schmuggelei der Reisefreiheit zustimmen würde. Die Regierenden sollten besser zusammenarbeiten, um all die Hürden aus dem Weg zu räumen, mit denen sich Reisende herumschlagen müssen. Denn die Korruption der Grenzbeamten wäre auch durch biometrische Pässe nicht aus der Welt. Die Regierungen müssten mit den Tourismusunternehmen zusammenarbeiten, um die Flugpreise zu regulieren und Straßen und Eisenbahnen zu verbessern.

Das würde das Reisen in Afrika billiger und einfacher machen. 

aus dem Englischen von Caroline Härdter