Atmosphäre des Misstrauens

In Rumänien droht Autoren eine härtere Besteuerung. Das ist eine Gefahr für die Meinungsfreiheit 

Januar ist normalerweise ein schöpferischer Monat, der Familie und dem persönlichen Leben gewidmet. Jedenfalls bei mir ist das so. Am 21. Januar jedoch kam eine Mail unseres Kollegen Bogdan Ghiu, der die PEN-Mitglieder auf die »Erklärung 600« hinwies, eine Änderung im Steuerrecht. Demnach sollten bis zum 31. Januar diesen Jahres alle bei der Steuerverwaltung die Einnahmen aus selbstständiger Arbeit erklären. Viele Schriftsteller, Journalisten und Übersetzer haben solche Einkünfte. Ein Absatz der Gesetzesnovelle war jedoch besorgniserregend, nämlich dass künftig eine Pflichtabgabe in der Höhe der im Vorjahr geleisteten Abgaben auf Einkünfte aus selbstständiger Arbeit im Voraus zu entrichten sei. Damit werden also Dividenden, Miet- und Zinseinnahmen sowie Honorare für urheberrechtlich geschützte Texte in einen Topf geworfen. Aber bei Honoraren für Presseartikel oder belletristische Texte handelt es sich ja um unregelmäßige, nicht planbare Einkünfte. Vorauszahlungen würden somit gerade Journalisten und Schriftsteller besonders hart treffen.

Wir formulierten eine Protestnote, um vor den negativen Auswirkungen des Gesetzes für die rumänische Kultur und die Meinungsfreiheit zu warnen. Seit einiger Zeit herrscht in Rumäni-en eine Atmosphäre des Misstrauens und der Furcht vor einer autoritären Machtverschiebung im Land, die die Regierungspartei durch entsprechende Gesetzesvorlagen auf den Weg zu bringen versucht.

In vielen Ländern sind die Intellektuellen links. In Rumänien nicht. Das linke politische Spektrum wird von der Sozialdemokratischen Partei (PSD) besetzt, die von vielen als Nachfolgerin der Kommunistischen Partei wahrgenommen wird. Die Wunden des Kommunismus sind im Land noch nicht verheilt. Seit 1990 fühlen sich Schriftsteller und Intellektuelle durch die legislativen Vorstöße der PSD in ihren Erwartungen getäuscht. Manchmal scheinen die Gesetze wie bei der »Erklärung 600« gerade dazu erdacht, jene, die sie kritisieren, zu bestrafen.

Zwar können wir noch nicht über eine Einschränkung der freien Meinungsäußerung sprechen. Wovor fürchten wir uns dann? Drei autokratische Regimes, angeführt von Viktor Orbán, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdo?an sind in unmittelbarer Nachbarschaft Rumäniens. Die Zivilgesellschaft ist deshalb extrem wachsam geworden. Viele von uns lebten unter Ceau?escus Diktatur und dem späteren Vorwurf, nicht den Mut gehabt zu haben, sich rechtzeitig zu wehren. Angetrieben von der Angst, dassdas, was die Regierungspartei und ihr Vorsitzender Liviu Dragnea tun, unser Land von der europäischen Familie trennen könnte, sind die Menschen Anfang des Jahres in den Großstädten auf die Straße gegangen und haben gegen eine Justizreform und die Auflösung der Nationalen Antikorruptionsbehörde protestiert.

Vorerst hat unser Widerstand dazu geführt, dass über die Steuernovelle neu verhandelt wird. Doch ein Großteil der Bevölkerung hält weiterhin der PSD die Treue, angelockt durch Versprechen von Lohn- und Rentenerhöhungen. Die allgegenwärtige Propaganda macht es uns unabhängigen Schriftstellern und Journalisten schwer, zwischen Nachrichten, Post-Wahrheiten und gelenkten Meinungsströmen zu unterscheiden. Aus Angst, schwer erkämpfte Freiheiten zu verlieren, verbringen wir nun einen Teil des Tages damit, uns darüber auf den neuesten Stand zu bringen, was im Parlament, im Senat, in der Regierung los ist. Seit dem Wahlerfolg der PSD fanden in nur sechs Monaten drei Regierungsneubildungen statt. Zwei Mal war der designierte Premierminister dem Parteivorsitzenden Liviu Dragnea, der aufgrund seiner Vorstrafen nicht selbst Premier werden darf, offenbar nicht ergeben genug. Nichts rechtfertigt jedoch einen so raschen Wechsel der Regierung. Doch gerade dadurch enttarnt sich eine politische Figur wie Liviu Dragnea. Solche Persönlichkeiten ziehen Menschenmassen an, um eigene Eitelkeiten zu befriedigen. So haben wir als Zivilgesellschaft die Pflicht, wachsam zu sein. 

Aus dem Rumänischen von Adina Danisch