Andrej kauft sich ein Imperium
Tschechiens Finanzminister Andrej Babiš gehören mehrere Medienkonzerne. Im Herbst könnte er zum Premierminister gewählt werden
„Als sie logen und ich sie zum Schutz meiner Persönlichkeit verklagte, erhielt ich nie Recht [...]. Also habe ich die Medien gekauft, damit sie die Wahrheit schreiben.“ Mit einer solch arglosen Offenheit kommentierte Andrej Babiš, Landwirtschaftsmagnat und damals noch Politikneuling, 2014 den Kauf mehrerer wichtiger tschechischer Medien. Seine Akquisitionen zweier Tageszeitungen, eines Fernseh- und eines Radiosenders sorgten für die stärksten Umbrüche in der tschechischen Medienlandschaft seit 1989. Seit 2014 haben sich die Tschechische Republik, die tschechischen Medien und auch Andrej Babiš verändert. Der Milliardär wurde zum Vorsitzenden der stärksten Partei in Tschechien, Finanzminister und ist heißer Kandidat für das Amt der Premierministers. Vergleiche mit der Karriere von Italiens Medienmogul und ehemaligem Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi drängen sich auf. Hängt also auch Babiš’ politischer Erfolg mit seinen großen Investitionen in den Mediensektor zusammen?
Beeindruckend ist auf jeden Fall Babiš’ Reichweite: Jeden Monat lesen die dem tschechischen Finanzminister gehörenden Zeitungen zweieinhalb Millionen Menschen, also jeder vierte Einwohner der Tschechischen Republik. Eine ähnliche Zahl an Zuschauern sieht im gleichen Zeitraum sein TV-Programm. Noch mehr Leser haben seine Nachrichtenkanäle im Internet, etwa fünf Millionen pro Monat. Und jeden Tag schaltet eine Million Zuhörer die Radiostation ein, die Andrej Babiš gehört. Wichtig ist auch die Symbolik: Babiš’ Konzern Agrofert hat einen Teil des „Tafelsilbers“ des tschechischen Journalismus erbeutet. Neben der meistgelesenen Tageszeitung Mladá Fronta Dnes ist das auch die Zeitung Lidové noviny, deren Ursprünge bis in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg reichen.
Babiš’ rasanter Einstieg in die Politik erfolgte nach dem Sturz einer konservativen Regierung, der von geradezu boulevardesken Umständen begleitet wurde. Im Juni 2013, im gleichen Monat, in dem Babiš den Großteil seiner Medien kaufte, trat Premierminister Petr Ne?as zurück. Die Hauptschuldige an seinem erzwungenen Abgang war die Leiterin des Büros des Premierministers und Geliebte in Personalunion, die sich von obskuren Geschäftsleuten aus dem Schattenreich zwischen Business und Mafia millionenschwere Geschenke kaufen ließ und Agenten des militärischen Geheimdienstes auf die Ehefrau ihres Chefs ansetzte.
Diesen Moment nutzte Babiš, um sich zum Anführer einer Kampagne gegen Korruption und Klientelwirtschaft zu erklären. Gegen die traditionellen Parteien stellte er eine angeblich konservative, in Wahrheit jedoch ideologisch sehr breit aufgestellte, populistische Partei namens ANO 2011 auf. In Einklang mit ihrer messianischen Rhetorik stand auch die angekündigte „Säuberung“ der Medienwelt. Unter dem Schutzschirm des Milliardärs sollten die Journalisten angeblich die Gelegenheit erhalten, sich vom Druck einzelner Interessengruppen zu lösen und endlich frei zu schreiben.
Gleichzeitig widersprach sich Babiš bezüglich seiner medialen Pläne von Anfang an selbst. Im selben Interview, in dem er seine Kampagne für Qualitätsjournalismus ankündigte, behauptete er, er würde sich nicht in die Arbeit der Medien einmischen. Der Erwerb großer Medienhäuser sei für ihn einfach eine „gute Investition“. Gute Geschäfte versprach er sich, obwohl er die Zeitungen, zusammengefasst in der Mediengesellschaft MAFRA, zum großen Teil der Rheinisch-Bergischen Verlagsgesellschaft abkaufte. Die Herausgeberin der Rheinischen Post zog sich nach Jahren der stetig sinkenden Erlöse vom tschechischen Markt zurück. 2012, kurz vor dem Verkauf, verzeichnete das tschechische Geschäft der deutschen Verlagsgesellschaft einen Jahresverlust von umgerechnet rund 6,7 Millionen Euro. Erst 2015 kehrte die Mediengesellschaft MAFRA, zu der Mladá Fonta Dnes gehört, unter Babiš in die Gewinnzone zurück.
Wo also sagte Babiš in seinen Ausführungen die Wahrheit? Waren seine Einkäufe Geschäft oder Politik? Die erste Reaktion der Journalistengemeinde auf Babiš’ Einbruch in ihre Sphäre war ein unsicheres Lavieren. Zwar verlor die Tageszeitung Mladá Fronta Dnes umgehend ihren Chefredakteur Robert ?asenský. Ihn ersetzte jedoch mit Sabina Slonková eine renommierte Journalistin. Sie sagte damals, sie vertraue darauf, dass sich Babišs nicht in die Redaktionsarbeit einmischen werde. Diesen Glauben stützte sie auf ¬ das Argument, „Babiš wäre verrückt, sollte er mit solchen Eingriffen die Glaubwürdigkeit der Zeitung und damit auch seine Investition untergraben“. Das Vertrauen hielt jedoch nicht lange. Slonková ging nach einem halben Jahr und erklärte, von einer Unabhängigkeit der Zeitung könne keine Rede sein.
Auch die neue Leitung machte aus der Zeitung zwar keine reine Propagandamaschine. Analysen von Medienexperten verzeichneten aber eine Verschiebung zugunsten einer positiven Berichterstattung über Andrej Babiš und seine Partei. Der Journalistenvereinigung Free Czech Media zufolge wurde in den ersten 19 Monaten nach dem Verkauf deutlich häufiger über Babiš geschrieben. Das lässt sich zwar noch mit dem Zuwachs an Babiš’ Funktionen in Partei und Regierung erklären. Vor allem aber veränderte sich das Verhältnis zwischen positiven und negativen Nachrichten über seine Person und seine Partei drastisch: In Mladá Fronta Dnes stieg die Zahl positiver Artikel von dreißig auf 202, die Zahl der negativen Artikel sank von vier auf null. In Lidové noviny stieg die Zahl positiver Artikel von zwanzig auf 162 und die Zahl kritischer Artikel sank von sechs auf fünf.
Erst Ende 2016 und Anfang 2017 zeigte sich, worin die Macht von Babiš’ Medienimperium besteht – nicht etwa darin, was es schreibt, sondern darin, worüber es nicht schreibt. Andrej Babiš geriet in Verdacht, er habe eine Gesetzeslücke genutzt, um dem Staat einen zweistelligen Millionenbetrag Kronen an Steuern vorzuenthalten. Gleichzeitig hatte er Probleme, die Geldflüsse zu erklären, die ihm einen Ankauf von Wertpapieren seiner Holding ermöglichten. Babiš’ Medien schwiegen zunächst zu diesem Problem. Später widmeten sie sich ihm nur in Randnotizen, in denen Babiš oftmals als Einziger dazu Stellung bezog. Gleichzeitig begann Babiš eine Kampagne gegen den öffentlich-rechtlichen TV-Sender ?eská televize, der als einer der ersten über den Verdacht berichtet hatte. Ohne jedwede Beweise beschuldigte er die Redakteure der Voreingenommenheit und sogar der Korruption. Ebenso beweislos blieb seine Beschwerde beim tschechischen Rundfunkrat.
Dennoch verlangte Babiš die Entlassung der verantwortlichen Redakteure. Diese Angriffe sind Teil des langfristigen Versuchs, den öffentlich-rechtlichen Zweig der tschechischen Medien zu schwächen. Die Idee, den Sender ?eská televize zu verstaatlichen, hatte Tschechiens Präsident Miloš Zeman aufgebracht, der immer mehr zu Babiš’ Verbündetem wird. Der Fernsehsender würde so statt durch Gebühren der Zuschauer direkt aus dem Staatssäckel finanziert und über Sein oder Nichtsein entschiede jedes Jahr die Haushaltsabstimmung. Andrej Babiš, ob nun als Finanzminister oder als möglicher künftiger Premier, hätte damit neben seinen eigenen Medien auch entscheidenden Einfluss auf eine weitere wesentliche Informationsquelle der tschechischen Öffentlichkeit.
Die Qualität der Demokratie in der Tschechischen Republik erodiert. So bewertet die Nichtregierungsorganisation „Freedom House“ in ihrem aktuellen Bericht den Aufstieg von Andrej Babiš und sorgt sich vor allem um den Ausgang der Parlamentswahlen im Herbst 2017, bei denen Babiš‘ Bewegung große Chancen auf einen Sieg hat. Nicht nur deshalb erwartet die Tschechische Republik ein Jahr voller risikoreicher Experimente. Eines davon wird auch der Versuch von Babiš’ politischen Konkurrenten sein, seinen Einfluss auf die Medien zu begrenzen. Ein Anfang Januar 2017 vom Parlament beschlossenes Gesetz über Interessenkonflikte verbietet es Regierungsmitgliedern künftig, Medien zu betreiben. Das Schicksal des sogenannten „Lex Babiš“ ist aber ungewiss. Ein Veto von Babiš’ politischem Verbündeten, Präsident Miloš Zeman, ist wahrscheinlich. Babiš selbst will sich beim Verfassungsgericht dagegen wehren und hat auch schon eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht. Aber auch wenn das Gesetz in Kraft bleibt, wird es Babiš wohl nicht den Einfluss auf die Medien kosten. Der Minister hat bereits einen Treuhandfonds eingerichtet, der sich während seines Mandats um seine Aktiva kümmern soll. In dessen Führungsriege sitzt auch seine Lebensgefährtin.
Aus dem Tschechischen von Tomáš Randýsek