Eurozentrische Sicht

Viele Faktoren bestimmen die Außenwahrnehmung eines Landes. Seit langem versuchen Staaten mit Soft Power ihr Image im Ausland zu verbessern. Doch kann man das Bild eines Landes überhaupt messbar beeinflussen? 

Welches Bild hat das Ausland von Deutschland? Und wie kommt es zustande? Kann man es beeinflussen? Das sind Fragen, die sich das Auswärtige Amt immer wieder stellt. Seit Joseph Nye den Begriff der Soft Power populär gemacht hat, sind manche Experten der Ansicht, dass ein hoher Soft-Power-Wert das außenpolitische Handeln eines Landes erleichtern kann. Und so bekommen plötzlich subjektiv und objektiv erhobene Daten zur Soft Power eines Landes eine immer größere Bedeutung. Das renommierte BBC Country Ranking sah Deutschland in den letzten Jahren mehrfach auf Platz eins (vor Kanada, Großbritannien und Frankreich). Das Gallup Ranking ermittelte 2015 Deutschland auf Platz vier (nach Kanada, Großbritannien und Frankreich). Simon Anholts von 2005 bis 2015 erhobener Nation Brands Index sah Deutschland 2015 auf Platz eins. Anholt sieht das Außenbild einer Nation?durch sechs Bereiche geprägt: eine glaubwürdige, kompetente, faire, an Werten orientierte Regierungsführung; Investitionen und Immigration; Kultur; Ansehen der Bevölkerung; Attraktivität für Touristen; Qualität der Exportwirtschaft.

Jonathan McClory erarbeitete ab 2010 – fünfmal für das Institute for Government, einmal für die Firma Portland – ein internationales Soft- Power-Ranking, bei dem Deutschland in den letzten beiden Jahren auf Platz zwei (hinter den USA) landete. Die Studien erheben zu siebzig Prozent objektive Daten zu Regierungsqualität, diplomatischer Infrastruktur, kulturellem „Output“, internationalen Ausbildungsangeboten und der Attraktivität der Wirtschaft, zu dreißig Prozent subjektive Daten aus internationalen Befragungen. Beim Portland-Bericht werden mithilfe von Facebook auch Digital-Diplomacy-Komponenten ermittelt, also die Nutzung von Internet und modernen Kommunikationsmedien in Diplomatie und internationalen Beziehungen untersucht. Und eine Befragung von U.?S. News & World Report, deren Ergebnisse im Januar 2016 beim World Economic Forum in Davos vorgelegt wurden, gab Deutschland aus sechzig Vergleichsländern den Titel „Bestes Land der Welt“, vor allem wegen seiner starken Wirtschaft, seines weltweiten Einflusses und seiner Konzentration auf globale Schlüsselfragen.

Also alles in Ordnung für Deutschland mit seiner immer mehr Verantwortung übernehmenden Außenpolitik und seinem ausgeklügelten Instrumentarium der Außenkulturpolitik? Eher nicht, denn man muss doch Fragezeichen hinter die vielfältigen Auswertungen und Rankings setzen. Wie kann es etwa sein, dass ein Land wie Japan so weit oben gesehen wird – bei BBC, Gallup und Anholt Platz fünf, bei den Ranking-Studien Platz sechs und Portland Platz acht. In starkem Kontrast dazu steht doch, dass Japan in der Umfrage der BBC in China zu neunzig Prozent, in Südkorea zu 79 Prozent Ablehnung erfährt. Es gibt – außer der jüngst gegründeten japanischen Stiftung zur Entschädigung von „Trostfrauen“ des Zweiten Weltkrieges – keinen Versöhnungsansatz in der japanischen Außenpolitik oder Außenkulturpolitik gegenüber den ehemaligen Feindstaaten, kein bilaterales Jugendwerk, keine bilaterale Geschichtskommission, keine gemeinsamen Bildungseinrichtungen. Wie konnte es dennoch zu einer so hohen Gesamteinstufung kommen?

Und in Bezug auf die Außenpolitik der USA wird deutlich, dass die Rankings aus einer eurozentrierten Sichtweise heraus entwickelt worden sind. Die große weltweite Diskrepanz in der Bewertung der Glaubwürdigkeit des außenpolitischen Handelns der USA findet sich in den Ranking-Studien nicht wieder. Bei den TTIP-Verhandlungen mit der EU beispielsweise zeigt sich eher „soft weakness“ statt Soft Power. Und in vielen Ländern wird die enge Liaison der USA mit Saudi-Arabien äußerst kritisch gesehen.

Schaut man in die Kriterienkataloge der verschiedenen Studien, so fällt auf, dass wichtige Fragen ganz fehlen: Wie arbeiten Länder negative Seiten ihrer Geschichte auf? Welche Versöhnungsangebote machen sie ehemaligen Gegnern oder ehemals verfeindeten Nachbarstaaten? Wie wird Objektivität in nationalen Schulbüchern unterstützt? Welche Rolle spielt ein Land im weltweiten Waffenexport? Welche Bedeutung hat Krisenprävention in der nationalen Außenpolitik? Wie gehen Länder mit intoleranten Religionsbewegungen um? Welche Rolle spielen alle diese Themen in der nationalen Außenkulturpolitik?

Ich glaube, dass – so populär die gegenwärtig angebotenen Befragungen und Rankings auch derzeit sein mögen – dennoch erheblicher Raum für Verbesserungen besteht. Die deutsche Außenkulturpolitik darf sich nicht auf irgendwelchen „Lorbeeren“ ausruhen, sondern muss sich trotz der positiven Bewertungen kritischen Fragen stellen und seine Außenpolitik fortentwickeln. Bedenkenswürdig sind mit Sicherheit der Waffenexport und die zum Teil zu engen und unkritischen Beziehungen zu Diktaturen. Und wie fragil die positiven Bewertungen der Rankings sind, zeigt sich gerade jetzt wieder an der vielfältigen Kritik europäischer Partnerländer an der deutschen Flüchtlingspolitik und an im Ausland wiederauflebenden Nazi-Klischees.