Inseln

„Kein Wasser – kein Leben“

Der Mensch zerstört die Natur. Aber die Weltmeere können noch gerettet werden. Ein Gespräch mit der Meeresforscherin

Als Ozeanografin widmen Sie sich der Rettung der Weltmeere. Was ist Ihre Motivation?

Ich sehe mich als Entdeckerin. Wie die meisten Wissenschaftler treibt mich die Neugier auf Wissen an. Seitdem ich in den 1950er-Jahren anfing zu tauchen, habe ich einen großen Wandel in den Ozeanen erlebt. Heute wissen wir, was dieser Wandel anrichtet. Diese Erkenntnisse weiterzugeben, ist mir sehr wichtig.

Wie verändern sich die Meere?

Die Hälfte aller Korallen ist verschwunden oder zerfällt langsam. Neunzig Prozent der Haie, Thunfische, Schwertfische und der Kabeljaus sind abgefischt; das Plankton, das bis zu fünfzig Prozent unseres Sauerstoffs produziert, geht drastisch zurück; Plastikmüll verändert die chemische Zusammensetzung der Gewässer. Dank der verfügbaren Technologien können wir diesen Wandel nachvollziehen. Wir müssen die Ozeane retten, wenn wir uns selbst retten wollen.

Mit Ihrer Organisation Mission Blue setzen Sie sich für die Einrichtung sogenannter „hope spots“ ein. Was ist das?

Das sind Orte im Meer, die sich in einem tadellosen Zustand befinden. „Hope spots“ können aber auch Gebiete sein, die als schützenswert deklariert wurden. Auch bereits beschädigte Orte können geschützt und zu Quellen der Erneuerung werden. Sie werden zu sicheren Häfen für alle Kreaturen, die dort leben. Sie geben Grund zur Hoffnung auf die Erholung der Gewässer.

Wo befinden sich diese Orte?

Überall in den Meeren. Die Cortes-See zwischen Baja California und Kalifornien ist so ein „hope spot“. Durch die Fischerei wurden die Flora und Fauna dort erheblich beschädigt. Seit zwanzig Jahren erholen sie sich wieder. Jede Nation mit einem Hoheitsgebiet auf dem Meer kann einen Beitrag zum Erhalt der Meere leisten. Die Inselnation Palau hat kürzlich die kommerzielle Fischerei auf  ihrem Hoheitsgebiet verboten. So wurde auch dieses Gebiet zu einem von mittlerweile circa fünfzig „hope spots“ weltweit.

Wie nehmen die „hope spots“ Einfluss auf die umgebenden Gewässer?

Selbst die kleinsten Gegenden zählen. In den FloridaKeys gibt es eine Stelle, nur eine Quadratmeile groß, die geschützt ist. Aber die Robustheit der Korallen und Tiere dort steht in starkem Kontrast zu den Gewässern in der Nähe. Jeder neue „hope spot“ ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Ist es dann nicht frustrierend, wenn solche Orte per Beschlussmit Bauschlamm zugekippt werden sollen, wie das Great Barrier Reef?

Natürlich ist das frustrierend. Die große Empörung darüber gibt jedoch Hoffnung. Es gibt immer wieder Rückschläge, aber die Menschen wollen einen gesunden Planeten. Sie brauchen nur die Möglichkeit, zu handeln.

Der Film „Mission Blue“ zeigt, wie Sie sich schon Ihr ganzes Leben lang für die Ozeane engagieren. Wie kann er bei Ihrer Sache hilfreich sein?

Der Film soll zeigen, wie sehr wir die Weltmeere brauchen. Wenn das Meer weiter aus dem Gleichgewicht gerät, wird unsere Welt irgendwann nicht mehr dieselbe sein. Wir müssen uns nur das Beispiel unseres Schwesterplaneten Mars anschauen: Kein Wasser – kein Leben. Der Film soll die Probleme bewusst machen und Menschen zum Handeln inspirieren.

Glauben Sie, wir können jemals unsere nachlässige Haltung gegenüber der Natur und den Meeren ändern?

Wir müssen uns der Konsequenzen unserer Haltung bewusst werden. Darum geht es. Wir haben die Natur lange genug als selbstverständlich hingenommen. Wir dachten immer, es sei in Ordnung, Haie zu töten. Jetzt wissen wir, dass wir sie brauchen. Und sie brauchen uns. Erst wenn wir uns der Folgen unseres Handelns bewusst werden, können wir etwas dagegen tun. Zwanzig Prozent geschütztes Meeresgebiet bis zum Jahre 2020 ist mein persönliches Ziel.

Das Interview führte Fabian Ebeling