Großes Geld und wahres Glück
Wie ich durch Zufall Broker wurde - und heute froh bin, es nicht mehr zu sein
1959 wurde ich in Kenia geboren, als Sohn eines britischen Offiziers wuchs ich an vielen Orten weltweit auf: in Belgien, Deutschland und Malaysia. Dort war es am schönsten. Jeden Tag verbrachte ich mit meinen Brüdern an unserem "Pool", einem alten Steinbruch. Dort floss das Bergwasser hindurch, kleine Affen sprangen herum. An einem solchen Platz versteht man als Siebenjähriger schnell, dass die Welt ein aufregender Ort ist.
Nach dem Universitätsabschluss, den ich in Schottland machte, zog es mich wieder in die Ferne. Für zwei Jahre unterrichtete ich Englisch an einer japanischen Schule in der Nähe von Kobe. Dort lernte ich meine erste Frau kennen und gemeinsam gingen wir zurück nach England. Hier sollten mir meine Japanischkenntnisse zugutekommen. Japan hatte Mitte der 1980er-Jahre einen begehrten Aktienmarkt. Viele Börsenunternehmen in der City of London dachten, Japan würde das nächste superreiche Land werden. Ich passte in das Profil der Makler: Jeder, der Essstäbchen halten konnte, war plötzlich Japanexperte.
In diesem Markt war schnell ein Vermögen zu machen, also wurde ich Broker. Ich mag Geld. Den ganzen Tag lang schwätzte ich nun meinen Kunden Wertpapiere auf. Wenn ich abends nach Hause kam, fühlte ich mich leer. Die einzige Kompensation war das viele Geld. Ich respektiere die Dynamik der Broker. Wenn sie Möglichkeiten sehen, ergreifen sie sie. Selbst wenn alle anderen dadurch in Schwierigkeiten geraten. Wirtschaft ist ein spannendes Feld. Ich glaube, man sollte verstehen, wohin unser Geld fließt und warum.
Zu Beginn der 1990er-Jahre brach dann der japanische Markt ein, ich wurde entlassen. Erst suchte ich nach einem neuen Job in der Branche. Doch eines sonnigen Vormittags kam ich vom Kricket nach Hause und dachte: "Ich will niemals wieder dort arbeiten." England war schon damals empört über die Machenschaften in der City. Ich schrieb ein Buch über das Brokerleben, das sich gut verkaufte. Als Autor konnte ich mir so einen Namen machen. Robbie Williams engagierte mich und gemeinsam schrieben wir sein Buch "Let me entertain you". Er ist ein interessanter, talentierter Kerl, manchmal allerdings auch sehr unhöflich.
Privat erlebte ich einen Tiefpunkt, als sich meine Frau von mir trennte. Sie nahm unseren gemeinsamen Sohn mit nach Japan. Ich verpasste seine Teenagerjahre komplett. In England bekommen in 95 Prozent der Fälle die Mütter automatisch das Sorgerecht. Daraufhin engagierte ich mich bei "Families Need Fathers", einer Organisation, die für Väterrechte kämpft, und schrieb ein Buch über meine Erfahrungen als geschiedener Vater. Heute kommt diese unfaire Behandlung der Väter zusehends im Bewusstsein der Gesellschaft an. Mit meinem ältesten Sohn habe ich heute wieder Kontakt.
2005 lernte ich meine zweite Frau Anja kennen. Wir entschieden uns, in ihr Heimatland Polen umzuziehen. Wir kauften ein Herrenhaus in Górny Śląsk. Dort gibt es Dutzende dieser alten, verlassenen Häuser. Sie warten nur darauf, mit neuem Leben gefüllt zu werden. Mit unseren fünf Kindern leben wir heute hier, renovieren dieses alte Schmuckstück und bieten Reisenden Zimmer zur Übernachtung an. Davon können wir gut leben, ohne uns ständig Sorgen zu machen. Ich würde sagen, wir sind angekommen.
Protokolliert von Fabian Ebeling