Inseln

17.000 Inseln

Wie funktioniert ein Staat, der sich über eine riesige Fläche im Meer erstreckt?

Indonesien besteht aus mehr als 17.000 Inseln. Mehr als 234 Millionen Menschen leben hier, die rund 1.340 ethnischen Gruppen angehören und 746 Sprachen sprechen. Es mag deshalb wenig verwundern, dass die Geschichte des Landes nie für einen längeren Zeitraum stabil war. Das Inselreich zerfiel aber auch nicht in kleine Stücke. Wie ist es möglich, mit diesem fragmentierten Land zurechtzukommen?, fragten sich schon die Gründerväter der Nation.

Sie einigten sich zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit 1945 auf die halb religiöse Staatslehre Pancasila, um zu verhindern, dass bestimmte religiöse Gruppen, insbesondere die Muslime, einen echten Gottesstaat anstrebten. Doch die nationale Einheit konnte nicht alle Gefahren von Abspaltungen beseitigen. In den 1950er-Jahren wurde deshalb ein föderales System eingeführt. Dennoch unterlag Indonesien bis 1965 zahlreichen Zerreißproben. Dann übernahm General Suharto die Macht. Er setzte auf das Militär, um das Land zusammenzuhalten und Unabhängigkeitsbewegungen zu kontrollieren. Doch 1998 musste er der Demokratiebewegung nachgeben, die mit ihren Protesten landesweit erfolgreich war.

Politisch betrachtet besitzt Indonesien eine eher instabile Geschichte. Ganz gleich, wer hier herrschte: Unterhalb der Machtstrukturen bildeten sich durch den über mehr als tausend Jahre lokal gewachsenen kulturellen Austausch zwischen den Inseln und Stämmen nachhaltige Beziehungsgeflechte. Von Präsident Suharto wurde zudem ein Umsiedlungsprogramm durchgeführt, das die große Überbevölkerung der Insel Java abbauen sollte, indem Millionen Menschen auf die gesamte Region verteilt wurden. So leben heute auf nahezu jeder Insel eine Vielzahl verschiedener Kulturen und Völker zusammen.

Die kulturellen Bande wurden bereits 1928 gestärkt, als indonesische Nationalisten noch während der holländischen Kolonialzeit die malaiische Sprache als gemeinsame Sprache des Archipels auserwählten. Dies war erstaunlich, sprachen damals doch nur etwa 15 Prozent der Bevölkerung Malaiisch, während Javanisch von 41 Prozent der Inselbewohner gesprochen wurde. Doch gerade die Tatsache, dass nicht die dominierende Sprache gewählt wurde – als Geste an die Minderheiten –, führte dazu, dass die Sprache zu einem kommunikativen Bindemittel zwischen den Stämmen des gesamten Archipels wurde. Die Verwaltung hingegen ist ein Vermächtnis aus der Zeit Suhartos.

Die Demokratisierung von 1998 hat das System zwar politisch befreit, doch die Struktur der Bürokratie nur teilweise geändert. Ein Teil der Macht ging von der Zentralregierung auf die regionalen Autoritäten über. So wurde in den vergangenen Jahren ihr Einfluss wieder größer. Dies zwang die Nationalregierung, bestimmten Regionen eine größere Autonomie zuzugestehen, vor allem dort, wo es historisch bedingte Spannungen und komplizierte Interessenlagen gibt. Dank dieser Autonomie können die Regionen Regierungsmodelle finden, die ihren Bedürfnissen besser entsprechen. So sind die involvierten Interessengruppen oder Völkerschaften in der Lage, selbst nach angemessenen Methoden zur Lösung ihrer Konflikte zu suchen.

Doch was in der einen Region erfolgreich ist, lässt sich nicht ohne Weiteres auch auf andere übertragen; zu groß sind die Unterschiede: Jede Region braucht ihre eigenen Wege und Methoden, abhängig von den beteiligten ortsansässigen Kulturen. Ein Beispiel für derartige Versuche war die Unabhängigkeitsbewegung der Region Aceh in Nordsumatra, mit der es über fünfzig Jahre lang kein Übereinkommen gab, bis man Aceh zu einer autonomen Region erklärte und die Unabhängigkeitsbewegung an der Regierung beteiligte.

Indonesien ist ein Land im Werden. Ich habe fast alle Provinzen des Landes besucht, doch niemand konnte mir die Frage beantworten: Wie wird Indonesien in zwanzig Jahren aussehen? Aber fast alle sind sich einig, dass der Vielvölkerstaat weiterexistieren sollte. Wenn heute die Gefahr einer Abspaltung droht, liegt dies zumeist daran, dass die Regionen sich von der Zentralregierung in der Verteilung des Reichtums getäuscht fühlen. Man ist wütend, weil der Versuch, die Armut und die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit zu reduzieren, fehlgeschlagen ist. In den unterschiedlichen Provinzen des Inselreiches gibt es jedoch auch eine fortwährende Vermischung und Verschmelzung zwischen den Stammeskulturen. So wächst mit fortschreitender Entwicklung auch die gegenseitige Bindung.

Aus dem Indonesischen von Dorothea Rosa Herliany und Martin Jankowsky