Was machst du? Wie Menschen weltweit arbeiten

„Geld ist kein Selbstzweck“

Warum arbeitet einer, obwohl er nicht muss? Ein Gespräch mit dem griechischen Reeder Angelakos

Herr Angelakos, Sie haben als Reeder ein Vermögen gemacht und sind seit 1999 Bürgermeister der Insel Inousses. Warum haben Sie sich mit 73 Jahren nicht längst zur Ruhe gesetzt?

Als die Bewohner meiner Insel mich baten, als Bürgermeister zu kandidieren, habe ich es als meine Pflicht empfunden, meiner „Heimat“, wie ihr Deutschen das nennt, zu dienen. Als ich das Amt übernahm, gab es dort fast keine Infrastruktur – keine Kanalisation, keine vernünftige Wasserversorgung, keinen ansässigen Arzt. Heute gibt es all das und mehr.

War es jemals ein Ansporn für Sie, reicher zu werden?

Geld zu verdienen, war für mich niemals ein Selbstzweck. Ich wollte den Reichtum der Welt mehren und die Gesellschaft mit meinem Geld voranbringen.

Haben Sie in Ihrem Leben mehr gearbeitet als andere?

Sicher gibt es Leute, die härter gearbeitet haben als ich. Aber im Laufe meines Lebens habe ich bestimmt zwei- oder dreimal so viele Arbeitsstunden angesammelt wie ein Durchschnittsmensch.

Ist harte Arbeit für Sie der Weg zu Erfolg und Reichtum?

Harte Arbeit ist nur ein Teil des Erfolgs. Da müssen noch viele Dinge dazukommen, zum Beispiel Antrieb und Ehrgeiz. Bildung ist nicht der wichtigste Faktor. Aber Erfolg hat nicht unbedingt etwas mit Geld zu tun. Erfolg ist, seinen Job gut zu machen.

Aber viele Menschen, besonders in Griechenland, haben gar nicht die Chance, ihren Job gut zu machen, weil sie arbeitslos sind.

Ich verstehe, dass die Lage schwierig ist, aber es gibt immer eine Chance. Die Menschen sind nicht per se verdammt, weil es eine Krise gibt. Sie müssen sich ändern, sich anpassen. Ich habe drei große Krisen in der Schiffsindustrie überstanden und bin jedes Mal gestärkt daraus hervorgegangen.

Aber haben manche Menschen nicht von Geburt an bessere Chancen als andere?

Ich bin nicht sicher, dass das der Fall ist. Finanzieller Reichtum kann auch ein Nachteil sein.

Wie denn das?

Man verweichlicht, ist nicht mehr hungrig, wird ein „chocolate boy“. Das Problem in Griechenland ist, dass der Staat Unternehmergeist, Geschäftssinn und Profitstreben als etwas Negatives dargestellt hat. Stattdessen hat er die Idee propagiert: Der Staat wird sich schon um dich kümmern und dir eine Stelle als Beamter schaffen. Das hat den Abenteuergeist getötet, den Wunsch hinauszugehen, für sich zu kämpfen und zu gewinnen. Jetzt zahlen wir den Preis.

Wie denken Sie über Landsleute, die ihr Geld lieber im Ausland deponieren, anstatt Steuern zu zahlen?

Manchmal kann ich diese Leute verstehen. Warum sollten sie ihr hart verdientes Geld korrupten Politikern anvertrauen? Wenn die Leute sicher wissen könnten, dass die Politiker ihre Steuern für Infrastruktur, Bildung und das Gesundheitssystem einsetzen, sollten sie diese natürlich zahlen. Aber vielen Politikern geht es heutzutage nur um ihren eigenen Vorteil und nicht um das Allgemeinwohl.

Wie würden Sie Arbeit definieren?

Für mich ist Arbeit, etwas zu schaffen, auf das man stolz sein kann. Es kommt außerdem sehr auf die individuelle Sichtweise an. Als junger Mann habe ich mal eine Geschichte von Stefan Zweig gelesen. Der Erzähler läuft die Straße hinunter und trifft drei Bauarbeiter. „Was machst du da?“ fragt er einen nach dem anderen. „Ich stapele Stein auf Stein“, sagt der erste. „Ich baue eine Mauer“, sagt der zweite. Und der dritte antwortet: „Ich baue eine Kathedrale.“ Dieser Arbeiter hat eine Vision.

Werden Sie jemals in den Ruhestand gehen?

Ruhestand ist Rückzug. Ich kann mich nicht zurücklehnen und beobachten. Ich muss Akteur sein. Solange ich in guter körperlicher und seelischer Verfassung bin und der Welt noch etwas zu geben habe, werde ich weiterarbeiten.

Das Gespräch führte Stephanie Kirchner