Den Funken überspringen lassen
Als Dorfschullehrer in Togo zu arbeiten, ist nicht einfach. Warum Unterrichten trotzdem meine Berufung ist
Wenn mich siebzig Augenpaare anstrahlen, die Finger aufgeregt schnipsen und jedes Kind als Erstes aufgerufen werden möchte, freue ich mich. Es ist schön, wenn alle Kinder mitarbeiten. Weiß ein Kind die richtige Antwort, belohnen wir es, indem die ganze Klasse im Chor klatscht und ruft: "Ça c'est magnifique!" Die Kinder brauchen diese Ermutigung und Motivation, um weiter konzentriert und aufmerksam zu bleiben. Ich finde, dies ist auch die schwierigste Aufgabe eines Lehrers - den Funken überspringen zu lassen.
Nur wenn mir das Unterrichten Spaß macht und ich engagiert bin, können die Kinder Freude am Lernen haben. Das ist allerdings oft schwer, denn die Situation an den Schulen hier in der ländlichen Savannenregion Togos ist nicht einfach. Da viele Familien keinen Strom haben, können die Kinder nur tagsüber lernen. Neben der Schule sind sie aber auch oft in die Familienarbeit mit eingebunden. Sie müssen Wasser holen, das Vieh hüten oder in den Ferien beim Bearbeiten der Felder helfen. Am härtesten ist die Trockenzeit in den Monaten von Mai bis Juli. Bei einer schlechten Ernte im Vorjahr haben manche Familien nichts zu essen und die Kinder kommen hungrig zur Schule. Da stelle ich mir dann die Frage, ob ich überhaupt weiterunterrichten kann. Die Kinder können sich nicht konzentrieren und es ist schwer, die Inhalte zu vermitteln. Ich weiß, dass diese Zeit sehr hart ist. Schließlich muss auch ich sehen, wie ich meine Familie versorgen kann.
Aber was bleibt uns übrig? Letztlich müssen wir weitermachen und die Kinder auf die Prüfungen und auf das Leben vorbereiten. Während meiner täglichen Arbeit versuche ich, ihnen etwas mit auf den Weg zu geben: Sie sollen lernen, in einem Team zu arbeiten und auch mal freiwillig Zeit und Energie in ein Projekt zu investieren. Für mich spielt Freiw illigkeit eine große Rolle im Leben. Seit der Jugend bin ich in der Opposition aktiv. Togo leidet schon viel zu lange unter der Gnassingbé-Diktatur, seit 45 Jahren regiert dieselbe Familie. Die Arbeit in der Opposition sehe ich als meine Aufgabe, um den Togoern, und auch meinen Kindern, ein gerechteres Leben zu ermöglichen. Es läuft so vieles falsch, auch im Bildungssystem.
In Togo kann jeder Gymnasiast Lehrer werden, ohne Ausbildung. Auch ich fing vor 16 Jahren direkt nach der Schule an, zu unterrichten. Die ersten Jahre arbeitet man als Volontär mit einem kleinen Gehalt von 10.000 CFA (umgerechnet 15 Euro) im Monat, die allerdings erst am Schuljahresende ausgezahlt werden. Um meine Familie, meine Frau und meine drei Kinder ernähren zu können, habe ich zusätzlich immer noch auf dem Feld gearbeitet. In dieser Anfangszeit als Lehrer war ich der Regierungspartei wegen der Arbeit in der Opposition ein Dorn im Auge. Der Bezirksabgeordnete drohte mir sogar: "Solange ich lebe, werden Sie keine Festanstellung bekommen." Er hielt Wort.
Erst ein Jahr nach seinem Tod bestand ich die staatlichen Prüfungen, mit denen man als anerkannter Lehrer arbeiten kann und auch besser bezahlt wird. Nach elf Jahren als Volontär. Trotzdem hätte ich nie aufgegeben, denn meine Arbeit ist meine Berufung. Leider teilen nicht viele meiner Kollegen diese Einstellung. Für die meisten jungen Leute verspricht die Anstellung an der Schule die Aussicht auf ein festes Gehalt. Wenn sie dann ohne Ausbildung vor bis zu hundert Kindern stehen und unterrichten sollen, sind sie oft überfordert. Wer kann es ihnen verdenken? Den Lehrern auf dem Dorf fehlt es ja oft an den einfachsten Materialien - an Büchern, Karten oder Stiften.
Aus Frustration und Enttäuschung fängt ein Lehrer dann oft an, die Kinder zu schlagen. Damit zerstört er das Vertrauen und den Dialog mit der Klasse. Wenn ich eine Klasse betrete, in der ein Lehrer schlägt, dann merke ich das sofort. Alle Kinder schauen zu Boden, niemand meldet sich - aus Angst. Es ist erschreckend. Ich versuche dann, mit den betreffenden Lehrern zu reden. Doch leider reicht das nicht. Auf den Dörfern gibt es nun mal keine staatlichen Kontrollen. Es gibt auch niemanden, der eingreift, wenn die Kinder für den Lehrer auf dem Feld arbeiten müssen. Oder wenn der Lehrer betrunken in die Klasse kommt. Es kommt auch nicht selten vor, dass ein Lehrer einer älteren Schülerin nachstellt. Die Familien sind dem Lehrer dann ausgeliefert, denn schließlich ist er mit seinem geringen Gehalt bessergestellt als die meisten Dorfbewohner. Jeder Lehrer sollte sich dieser Macht bewusst sein. Schließlich hält er auch die Zukunft der Kinder in seinen Händen.
Protokolliert von Marianne Kühn