„Adorno in Kalkutta“

Der indische Verleger macht schöne Bücher für die ganze Welt

Wie kamen Sie dazu, als indischer Independent-Verleger Bücher für den internationalen Markt herauszugeben?

Seagull Books gibt es bereits seit 1982. Damals veröffentlichten wir zeitgenössische Theatermanuskripte und Drehbücher in verschiedenen indischen Sprachen. Mit der Zeit kamen Themen wie Kulturanthropologie dazu. 2005 ließen sich immer mehr große Verlagshäuser, wie Harper Collins oder Random House, in Indien nieder, weil wir so einen großen englischsprachigen Markt haben. Da dachten wir uns - halb aus Spaß, halb aus Ideologie: Warum nicht dasselbe in London oder New York machen? Also gründeten wir Seagull Books London Limited. Seitdem haben wir rund 300 Bücher in englischer Sprache für den internationalen Markt produziert.

Wie kann man sich Ihre tägliche Arbeit vorstellen?

Wir wollen keine Büroräume, keine Angestellten außerhalb von Kalkutta. Wir haben einen Buchhalter in London, der sich um die Steuern kümmert, ein Bankkonto und bei Bedarf stellen wir freie Redakteure ein. Die Chicago University Press vertreibt unsere Bücher weltweit. Es spielt keine Rolle, wo man ist, solange man etwas herausgibt, das die Welt will. Das mag wie die romantische Vorstellung eines Dilettanten klingen. Aber wir haben viele Unterstützer - in Frankreich, Italien und in Deutschland.

Für wen machen Sie Ihre Bücher?

Wenn man mich nach meiner Zielgruppe fragt, sage ich immer: Es dauert vielleicht lange, aber man muss einfach warten, dass der Markt zu einem kommt. Eine bestimmte Art von Büchern, wie solche über Politische Philosophie und Philosophie im Allgemeinen, war aus den Regalen für englischsprachige Literatur fast verschwunden, weil die Übersetzung zu schwierig erschien. Uns ist in den vergangenen Jahren gelungen, dies ein wenig zu ändern, wenn auch nur in einem winzig kleinen Rahmen. Es scheint trotz all der technischen Neuerungen und der Gegebenheiten der Verlagsindustrie ein Bedürfnis für diese Art von Literatur zu geben.

Sie sichern sich die Rechte für ein Buch ausschließlich für den weltweiten Vertrieb. Warum?

Eine bestimmte Art Buch muss kulturübergreifend vertrieben werden, sonst macht es keinen Sinn. Mir persönlich hat europäische Literatur immer ein Gefühl von Hoffnung vermittelt. Bis ich 20 war, habe ich Indien nicht verlassen. Ich entdeckte die Welt also durch Literatur, durch Übersetzung, durch andere Menschen. Als ich dann die Möglichkeit bekam, Bücher zu veröffentlichen, sagte ich mir: Warum sollte ich mich nur auf indische Literatur beschränken?

Ihr Autorenspektrum reicht von dem chinesischen Literaturnobelpreisträger Mo Yan über Baudrillard bis zu Bernhard und Bachmann, um nur einige zu nennen. Wie treffen Sie die Auswahl?

Wir haben eine Wunschliste. Es stehen nicht nur meine Wünsche darauf, sondern auch die unserer Übersetzer. Ich gebe ihnen die Freiheit, zu wählen, denn ich verstehe die Sprachen ja nicht. Es ist in dieser Hinsicht wichtig, auch anderen zu vertrauen. Autoren und andere Verleger sind oft ebenfalls hilfreich.

War es manchmal schwierig, von den großen Verlagen die Rechte für bekannte Autoren zu bekommen?

Überhaupt nicht. Man muss es nur gut erklären. Wenn ich zum Beispiel gefragt wurde: "Was wollen Sie mit den Rechten für Adorno in Kalkutta?", musste ich ihnen erklären, dass ich vorhabe, das Buch über die Chicago University Press weltweit zu vertreiben. Dann kommen die Bücher heraus - die sehen wirklich sehr schön aus - und das Vertrauen wächst. Mit Suhrkamp haben wir jetzt schon über 30 Bücher gemacht. Gallimard hat uns sofort vertraut. Und mit dem Katalog wächst auch das Vertrauen weiter.

Wie erklären Sie sich, dass es Ihnen als kleinem, alternativem Verlag gelungen ist, sich neben riesigen Verlagshäusern durchzusetzen?

Das hat nichts mit Strategie zu tun, eher mit Intuition und Instinkt. Es geht darum, eine Beziehung zu Menschen aufzubauen. Wir gestalten alle unsere Bücher selbst. Alle Redakteure kennen sich mit Design, Fotografie und dem Setzen von Seiten aus. Es hat mit ästhetischem Vergnügen zu tun, mit der Haptik des Materials. Das spricht die Leute an. Das gedruckte Buch muss überleben. Und je mehr Spaß die Leser daran haben, desto länger wird es überleben. Bei großen Verlagen wie Bloomsbury kann man beobachten, dass sie immer mehr interessante Designs machen.

Man würde Sie also auf keinen Fall mit einem E-Book erwischen?

Ich habe überhaupt nichts gegen E-Books. Wir produzieren unsere Bücher, und wenn noch Geld übrig ist, machen wir sie auch als E-Book zugänglich. Für mich ist das kein Entweder-oder. Was halten Sie von der Tendenz, dass immer mehr riesige Verlage entstehen, wie zuletzt durch die Fusion von Penguin und Random House? Ich glaube nicht, dass das meine Arbeit beeinflussen wird. Es wird immer einen Platz für alternative Verlage wie den unseren geben. Ich glaube sogar, dass es immer mehr solche Verlage geben wird.

Das Interview führte Stephanie Kirchner