Im Dorf

Total Recall

In Arnold Schwarzeneggers Heimatdorf Thal kennt der Personenkult um den ehemaligen Schauspieler und Politiker keine Grenzen. An Skandale mag sich hier keiner erinnern

Im Sommer 1985 rudert Arnold Schwarzenegger mit seiner Freundin Maria Shriver auf den Thalersee hinaus. Er ist damals ein aufsteigender Filmstar und gut im Geschäft. Dennoch nimmt er sich anlässlich seines 38. Geburtstages ein paar Tage frei, um Maria seine steirische Heimat zu zeigen.

Sie besichtigen zunächst Graz und den Schlossberg, dann das benachbarte Thal, sein bescheidenes Elternhaus und den von Bergen umgebenen Thalersee. Als die beiden die Mitte des Sees erreichen, hält Arnold das Boot an. Er kramt in seiner Tasche, zieht einen Brillantring hervor und fragt: „Maria, willst du meine Frau werden?“ Und Maria Shriver, Nichte des 35. US-Präsidenten John F. Kennedy, sagt: „Ich will.“

Jedes Kind in Thal kennt diese Geschichte, denn Schwarzenegger ist hier allgegenwärtig: Das Boot, genannt „Boot des Versprechens“, in dem Maria Shriver den Antrag erhielt, ist heute ein Denkmal und steht am Thalersee. Es gibt in der 2.000-Einwohner-Gemeinde einen Schwarzenegger-Wanderweg und seit letztem Jahr auch ein Schwarzenegger-Museum. Selbst an der Wand der Grundschule findet man ein Zitat des Politikers: „Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, dann ist es der Glaube an die eigene Kraft.“

Schwarzenegger besucht Thal so oft er kann, der Ort präsentiert seinen Gästen dafür ein heiles Bild seines Lebens. Im Museum finden sich keine Hinweise auf die SA-Vergangenheit des Vaters. Dass Schwarzenegger als Gouverneur Gnadengesuche von zum Tode verurteilten Häftlingen ablehnte, wird ebenso verschwiegen wie sein Anabolikamissbrauch oder seine frauenfeindlichen Aussagen in jungen Jahren.

Und das, obwohl sich der Filmstar in Amerika auch negativ über seine Heimat geäußert hatte, zuletzt 2004 am Parteitag der Republikaner, wo er erzählte, sich in Thal vor sowjetischen Panzern gefürchtet zu haben. Die Geschichte kam gut an, war aber frei erfunden: Schwarzenegger hatte in seiner Kindheit niemals unter den Kommunisten zu leiden gehabt.

Angenehm war Schwarzeneggers Kindheit dennoch nicht. Der Vater war ein mürrischer Dorfgendarm, der ihn mit sinnlosen Strafaufgaben quälte und den älteren Bruder Meinhard bevorzugte. Zudem war Thal so ziemlich der letzte Ort, an dem der junge Schwarzenegger leben wollte. Mehr als die Armut und die Enge störte ihn hier die Mentalität: „Ich habe aus dem Fenster geschaut und Leute gesehen, die mehr als zwei Stunden zusammen einen Kaffee tranken, und ich wusste, das ist nicht mein Leben“, äußerte sich der Politiker einmal.

Dass die Familie kaum Geld hatte und es wenig zu essen gab, sieht er heute positiv. Das habe ihn zum Kämpfer gemacht – und damit zu allem, was er in seinem späteren Leben wurde: Mr. Universum, Filmstar, kalifornischer Gouverneur. Es war auch Thal, wo Schwarzenegger 1962 die ersten Bodybuilder kennenlernte. Mit ihnen fuhr er nach Graz, um im Keller des Liebenauer-Stadions Gewichte zu stemmen. 35 Jahre später wird Graz das Stadion nach ihm benennen. Denn auch die steirische Hauptstadt schmückt sich gern mit Schwarzeneggers Ruhm.

In den 1990er-Jahren wetteiferten Graz und Thal eine Zeit lang um die Liebe des großen Sohnes. Mittlerweile weiß man, dass Thal das Rennen gemacht hat. Grund dafür war die Hinrichtung des Mörders Stanley Williams, dessen Gnadengesuch der kalifornische Gouverneur im Jahre 2005 ablehnte. Graz protestierte dagegen und benannte das Schwarzenegger-Stadion wieder in Liebenauer-Stadion um. Der Filmstar schickte daraufhin seinen von der Stadt verliehenen Ehrenring zusammen mit einem wütenden Brief zurück. Auch wenn sich das Verhältnis wieder entspannt hat, ganz heil ist Schwarzeneggers Welt nur in Thal. Hier wird er immer der „Arnie“ bleiben, der mutige „Bua“, der in die Welt hinauszog und es seinen Kritikern zeigte. Kürzlich hat der Altbürgermeister Peter Urdl sogar versprochen „das Boot des Versprechens“ als Denkmal zu erhalten – egal ob sich Maria Shriver nun scheiden lässt oder nicht. Für Schwarzenegger ein tröstlicher Gedanke: Was auch immer das Leben noch mit ihm vorhat, in Thal ist seine Ehe für alle Zeit intakt.