Fotografie | Dänemark

Menschen privat begegnen

Im Buch „Love me again“ kommt die dänische Fotografin Michella Bredahl ihren Protagonistinnen ganz nahe
Eine Fotografie einer jungen schwarzen Frau, die sich in der Badewanne sitzend über die schmale Seite der Badewanne lehnt. Sie stützt sich mit den Unterarmen am Badewannenrand ab. Sie blickt links unter der Kamera vorbei.

Interview von Nadia Kara

Frau Bredahl, Ihr Buch „Love me again“ versammelt intime Fotografien, die Sie in den letzten zehn Jahren von Freunden und Bekannten gemacht haben. Was war Ihr Konzept?

Als ich anfing, diese Fotos zu machen, war ich 25 Jahre alt und dachte gar nicht daran, ein Fotobuch wie „Love me again“ zu gestalten.

Zusammen mit meinem jetzigen Verleger begann ich schließlich mein Archiv zu sichten und über meine Intention als Fotografin zu sprechen. Dabei fiel mir auf: Ich wollte immer schon Menschen in ihrem privatesten Raum porträtieren, etwas Verletzliches und Berührendes zeigen.

Wie haben Sie sich in dieser Zeit selbst weiterentwickelt?

Als Künstlerin und Künstler muss man in der Lage sein, die Kontrolle abzugeben und das Unerwartete zuzulassen. In meinem Fall hat das fast ein Jahrzehnt gedauert. Jetzt fühlt sich der Zeitpunkt der Veröffentlichung genau richtig an. So gesehen ist „Love me again“ das Ergebnis eines organischen, bedeutungs-vollen Prozesses, sowohl für mich als auch für die Menschen, die darin vorkommen.

Wie war es Ihnen möglich, dass die Fotos so intim wirken?

Eine Kamera schafft doch erst einmal Distanz. Viele der porträtierten Menschen im Buch sind mir mittlerweile sehr nahe, ich habe sie über viele Jahre hinweg immer wieder fotografiert.

Das war ein kreativer, intensiver Austausch, der uns die Sicherheit gab, gemeinsam unheimlich viel auszuprobieren. Wenn man seine Protagonistinnen und Protagonisten nicht in den kreativen Prozess mit einbezieht, wird Fotografie schnell oberflächlich und ausbeuterisch:

Dann macht man die Seele eines Menschen zu einem Produkt. Das wollte ich, auch aus eigener Erfahrung, unbedingt vermeiden.

Fünf Mädchen im Teenageralter stehen nebeneinander in einem Zimmer. Alle fünf tragen Hosen und ein bauchfreies Shirt. Sie schauen alle direkt in die Kamera.

Die Schwestern Martha, Alma, Olga, Ida und Asta in ihrem Elternhaus (2023)

Sie haben jahrelang als Model gearbeitet. Wie hat Sie diese Erfahrung als Fotografin geprägt?

Ich habe mich als Model am Set oftmals instrumentalisiert und unwohl gefühlt. Als Fotografin möchte ich meinen Protagonistinnen vor der Kamera das Gefühl geben, als schön und authentisch gesehen zu werden. Es gibt ein dänisches Sprichwort: „Det skal ikke være grænseoverskridende, men grænseudvi-dende.“

Das bedeutet in etwa, dass man nicht versucht, eine Grenze zu überschreiten, sondern sie behutsam zu erweitern. Im kreativen Prozess des Fotografierens möchte ich genau das tun: gemeinsam mit meinem Gegenüber über das Bekannte und Erwartbare hinausgehen und herausfinden, wie weit man kommt und wie das visuell aussehen könnte.

Die Erfahrung, über sich selbst hinauszuwachsen, kann sehr heilsam sein. Es macht mich einfach sehr glücklich, Menschen diese Erfahrung als Fotografin ermöglichen zu können. 

Michelle Bredahl: „Love me again“ (Loose Joints Publishing, London, 2023)