Trauern in Weiß
Die Schriftstellerin erzählt von einem Brauch in ihrem Heimatland Indien

Foto: Patrice Normand
Foto: Patrice Normand
In Indien ist der Tod keine private Tragödie, sondern ein soziales Ereignis. In den ländlichen Hindu-Gemeinden kommen alle Frauen des Ortes in das Haus des Verstorbenen, um gemeinsam mit der Familie laut zu klagen. Die jungen Männer kümmern sich um alles Weitere. Sie helfen den Trauernden, eine Bahre und Blumen zu kaufen, und dekorieren alles in Weiß – in Indien die Farbe der Trauer.
Noch am selben Tag bringt man den Toten in ein Krematorium. Man gibt ihm etwas symbolisches Essen in den Mund, Reis vermischt mit Milch. Normalerweise übernimmt das der Sohn des Verstorbenen. Als mein eigener Vater starb, mussten die Priester akzeptieren, dass ich es tue, denn ich bin das einzige Kind.
Drei Stunden später wurde mir eine Kiste mit der Asche meines Vaters übergeben – für mich eine sehr grausame Erfahrung. In Indien bleibt das diskriminierende Kastenwesen übrigens selbst im Tod erhalten. Es kann passieren, dass jemand stirbt und es ist gerade kein Mitarbeiter seiner Kaste im Krematorium. Dann akzeptieren sie den Leichnam nicht, denn sie wollen ihn nicht berühren.