Erde, wie geht's?

Ist das schon Klimawandel?

 Alle warten auf die große Katastrophe. Doch die Welt wird nicht am nächsten Wirbelsturm zugrunde gehen

Geht es nach den Medien, dann ist der Klimawandel immer dann von Interesse, wenn er spektakulär ist. Wenn verheerende Wetterereignisse Menschenleben fordern, dann reisen Kamerateams und Reporter an die Orte der Verwüstung; wenn zerstörerische Stürme Menschenleben fordern, dann ist das »extreme Wetter« in den Schlagzeilen – so wie jüngst bei den Hurrikanen, die über die Karibik und die USA zogen. Besonders gerne wird in der Berichterstattung dann die Frage verhandelt: War das Desaster nun einem Klima- oder einem Wetterphänomen geschuldet?

Meteorologisch gesehen lässt sich diese Frage jedoch – und das mag überraschen – gar nicht eindeutig beantworten. Nehmen wir den Spielwürfel als Beispiel. Jede Augenzahl hat dieselbe Wahrscheinlichkeit, gewürfelt zu werden. Wenn wir den Würfel aber auf die Sechs zinken, dann wird die Sechs häufiger gewürfelt werden als die anderen Zahlen. Trotzdem könnten wir nicht in jedem Einzelfall sicher sagen, ob die Manipulation des Würfels zum Wurf der Sechs geführt hat. Sie hätte auch einfach so fallen können.

In dieser Analogie ist eine einzelne Sechs ein ganz normales Wetterextrem und nichts Außergewöhnliches. Die Häufung der Sech­sen könnte wiederum mit der Manipulation des Spielsystems, also mit dem Einfluss des Klimawandels auf die Erdatmosphäre zusammenhängen. Um den Einfluss des gezinkten Würfels auf die Häufung der Sechsen beziehungsweise den Einfluss des Klimawandels auf das Wetter eindeutig belegen zu können, müsste man jedoch sehr oft würfeln beziehungsweise viele Jahrzehnte lang akkurate Messungen durchführen.

Nicht auf den Einzelfall bezogen, ist wiederum klar: Der Klimawandel fungiert als Katalysator für extreme Wetterereignisse. Am besten erörtern lässt sich sein Einfluss anhand von Hurrikanen. Sie entstehen über Meeresgebieten, in denen die Wassertemperatur mindestens 26,5 Grad Celsius beträgt. Bei solch hohen Temperaturen ist die Verdunstungsmenge des Oberflächenwassers besonders hoch. Je wärmer es wird, desto mehr Treibstoff steht den Monsterstürmen zur Verfügung.

Trotzdem wäre es falsch zu behaupten, die Zahl der katastrophalen Wetterereignisse würden durch den Klimwandel mit absoluter Sicherheit steigen. Das Klima ist ein viel zu komplexes System, als dass derartige Kausalketten pauschal gültig wären. Denn manche Klimawandeleffekte schwächen sich über kurz oder lang gegenseitig ab. Während der El Niños – ungewöhnlicher, nicht zyklischer Strömungen im ozeanografisch-meteorologischen System – erwärmt sich der tropische Pazifik alle paar Jahre um mehrere Grad. Man könnte also annehmen, dass Hurrikane während der El Niños häufiger vorkommen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Während der El Niños verändert sich nämlich nicht nur die Wassertemperatur im Pazifik. Auch die sogennanten Scherwinde über dem Ozean werden stärker. Diese wiederum behindern die Entwicklung von Hurrikanen laut aktueller Studien eher.

Aber spielt all das überhaupt eine so wichtige Rolle? Die pragmatische Antwort lautet: nein. Entgegen der medialen Wahrnehmung sind es nämlich nicht die extremen Klimaveränderungen, die uns Sorgen bereiten sollten, sondern die unspektakulären – und die sind schon längst in vollem Gange. Während wir noch darüber rätseln, ob extreme Wettereignisse wie Hurrikane und Zyklone zunehmen werden, kippen als Konsequenz des schleichenden Klimawandels schon jetzt einzelne Ökosysteme. Phänomene wie die Desertifikation, das Abschmelzen der Gletscher und der Anstieg der Meere machen schon heute viele Orte auf der Welt unbewohnbar. Diese Ereignisse werden uns in Zukunft weitaus mehr beschäftigen als der nächste Hurrikan.