Klimawandel

Gefahr vom Meeresgrund

In der arktischen See lagern riesige Mengen des Treibhausgases Methan. Was geschieht, wenn sie freigesetzt werden?

Jedes Jahr gibt die Weltorganisation für Meteorologie einen Bericht über die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre heraus. Auch für das Jahr 2016 sind die Ergebnisse alarmierend: Die Kohlendioxidkonzentration in der Luft ist in Rekordgeschwindigkeit angestiegen und befindet sich heute auf dem höchsten Niveau seit 800.000 Jahren. Doch nicht nur der CO2-Wert steigt. Seit 2007 nimmt auch die Konzentration des Stoffes Methan in unserer Atmosphäre zu. 2016 erreichte sie einen Höchstwert. Ein pikantes Detail: Als Treibhausgas ist Methan 32-mal schädlicher als CO2.

Sechzig Prozent des in die Atmosphöre freigesetzten Methans werden durch menschliche Aktivitäten verursacht: durch Reisfelder, Wiederkäuer, fossile Brennstoffe und Deponien. Vierzig Prozent gehen auf natürliche Vorkommen zurück und werden durch schmelzenden Permafrost und Vulkanaktivitäten freigesetzt. Die beunruhigendsten Methanvorkommen finden sich allerdings ganz woanders: tief unter den Weltmeeren. Dort sind enorme Mengen von Methangas in eisähnlichen Substanzen gespeichert, den sogenannten Methanhydraten. Hydrate verdichten Methangas in einer kristallinen, käfigförmigen Struktur. Ein Kubikmeter der Hydrate enthält bis zu 160 Kubikmeter Methangas. Die Stabilität der Hydrate ist von hohem Druck und niedrigen Temperaturen abhängig.

2003 lösten Wissenschaftler mit der sogenannten »Hydrate Gun Hypothesis« eine heftige Debatte aus. Die Theorie besagt, dass durch den Temperaturanstieg der Meere in weniger als hundert Jahren große Mengen von Methanhydraten schmelzen könnten. So käme ein katastrophaler Prozess in Gang: Die riesigen Mengen gespeicherten Methans würden als zusätzliches Treibhausgas an die Oberfläche der Ozeane steigen, in die Atmosphäre gelangen und zur Erderwärmung beitragen. In der Folge würden sich die Meere weiter aufheizen, was wiederum zu einer noch schnelleren Methanfreisetzung führen könnte.

Mittlerweile ist dieses Untergangsszenario zumindest teilweise enkräftet. Neueste Messungen haben ergeben, dass der Ozean selbst als Schild gegen das vom Meeresgrund aufsteigende Methan fungiert. Im Wasser löst sich der Stoff mitunter auf oder wird von Strömungen unter der Oberfläche gehalten.

Man könnte also meinen, die Gefahr sei damit gebannt. Das wäre jedoch nur die halbe Wahrheit. Südlich von Spitzbergen entdeckten Forscher erst kürzlich mehrere rund 500 Meter breite hügelartige Methanlagerstätten auf dem  arktischen Meeresboden. Sie stellten fest, dass diese gefrorenen Gasdome, die Pingos genannt werden, für kleine Veränderungen der Wassertemperatur und des Wasserdrucks besonders anfällig sind und besonders viel Methanhydrat in ihrem Inneren speichern.

Diese neuentdeckten Gasdome sind evolutionär gesehen die Vorgänger jener massiven Krater, die zuletzt 300 Kilometer weiter östlich in der Barentssee gefunden wurden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Krater – manche haben einen Durchmesser von mehr als einem Kilometer – am Ende der letzten Eiszeit entstanden. Sie sind die Überbleibsel von Pingos, die aufgrund des nachlassenden Drucks des über ihnen liegenden Eisschilds explodierten. Die Kuppeln knallten wie Korken aus Sektflaschen und setzten Unmengen von Methan frei, das durch die resultierende Katapultwirkung bis an die Ozeanoberfläche und in die Erdatmosphäre gelangte. Was uns in Zukunft an den Rändern der zurückgehenden Eisschilde erwarten könnte, lässt sich anhand der massiven Verpuffungskrater in der Barentssee erahnen.

Aus dem Englischen von Karola Klatt