Was bleibt?

„Die Elefantendame wird mich wiedererkennen“

Die Biologin erklärt, warum Elefanten ein gutes Gedächtnis brauchen

Frau O’Connell, haben Elefanten ein so gutes Gedächtnis, wie man ihnen landläufig zuschreibt?

Viele wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Elefanten die biologische Anlage für ein gutes Gedächtnis haben. Erst vor kurzem wurden in ihrem Gehirn Neuronen identifiziert, die dem Erinnerungsvermögen zugeschrieben werden. Dadurch können sie sich etwa an Wegmarken erinnern, die ihnen Jahr für Jahr denselben Weg weisen, oder daran, welche Früchte in einer bestimmten Region gerade reif sind. Doch obwohl es viele Indizien für das sprichwörtliche Elefantengedächtnis gibt, ist die Wissenschaft erst noch dabei, das Erinnerungsvermögen der Tiere zu erforschen. Mit meinem Team untersuche ich, wie die Erinnerung von Elefanten funktioniert.

Wie verlaufen diese Experimente?

Wenn Sie sich daran erinnern möchten, wann genau ein bestimmter Baum Frucht trägt, müssen Sie sich in Ihrer Vorstellung ein Bild von diesem Baum und seinen Früchten machen. Sie brauchen einen Bezugspunkt. Wir versuchen zu zeigen, dass Elefanten solche Bezugspunkte generieren können. Im Moment führen wir dazu ein Experiment durch, mit dem wir die Erinnerung von Elefanten anhand von unterschiedlichen Sinneseindrücken testen. Dafür präsentieren wir einem Elefanten zuerst den Geruch eines anderen Elefanten, dann spielen wir dessen Stimme vor und am Schluss zeigen wir ihm ein Bild des anderen Elefanten. Anschließend prüfen wir, ob er genau diesen Elefanten aus insgesamt fünf Elefanten auswählen kann und welche Erinnerung dabei beteiligt ist. Erkennt er den Elefanten am ehesten über den Geruch, die Stimme oder das Aussehen? Ich gehe mittlerweile davon aus, dass sich Elefanten hauptsächlich über den Geruch an ihre Artgenossen erinnern.

Können Sie Beispiele für besondere Gedächtnisleistungen der Tiere nennen?

In Tansania haben Forscher während einer intensiven Trockenperiode beobachtet, dass ältere Elefanten häufiger Wasserplätze fanden als jüngere. Herden mit vielen älteren Tieren hatten daher höhere Fortpflanzungsraten. Satellitenbilder geben ebenfalls Hinweise auf Gedächtnisleistungen. Aufnahmen aus ganz Afrika zeigen, dass die Tiere gleichbleibende Wandermuster haben. Häufig werden diese Routen nicht einmal dann aufgegeben, wenn sie von Menschen besiedelt oder mit Zäunen abgesperrt werden. Außerdem höre ich immer wieder von Elefanten, die Artgenossen oder Pfleger, von denen sie getrennt wurden, auch nach zehn oder zwanzig Jahren wiedererkannt und freudig begrüßt haben.

Warum hat die Evolution dem Elefanten ein so besonderes Gedächtnis geschenkt?

Elefanten sind immer auf der Wanderung. Sie brauchen ihr Gedächtnis, um geeignete Futterplätze und Wasser ansteuern zu können. Ohne Gedächtnis könnten sie nicht überleben.

Elefanten gehen manchmal auch ganz neue Wege und verlassen traditionelle Routen. Abenteuerlust oder Vergesslichkeit?

Wenn ältere Tiere sterben, kann es tatsächlich vorkommen, dass dieses Wissen verloren geht. Die jüngeren schlagen dann einen neuen Weg ein. Manchmal aber erinnern sich ältere Tiere auch an einen trockenen Abschnitt auf einer bestimmten Route. Um diesen zu umgehen, schlagen sie Umwege ein.  

Die Erinnerung steht dem Fortschritt also nicht im Weg.

In gewisser Weise schon. Die rasanten Entwicklungen geben den Elefanten häufig zu wenig Zeit, sich anzupassen. Es entstehen immer mehr Siedlungen auf ehemaligen Wanderrouten. In Namibia wird es für Elefanten immer gefährlicher. Sie wandern von Park zu Park und müssen dazwischen immer wieder Dörfer durchqueren. Oft verirren sie sich dabei, bleiben zurück und verlieren ihre Herde. Auf diese Weise geht viel Wissen verloren, wodurch sich gewohnte Routen verändern.

Sie sind gerade in Hawaii, wenn Sie wieder nach Kapstadt fahren, um ihre Forschungen fortzusetzen, glauben Sie, dass der Elefant Sie wiedererkennt?

Die Elefantendame, mit der ich schon lange gearbeitet habe, wird mich wiedererkennen. Vermutlich wird sie sich aber vor allem an die kleinen Leckereien erinnern, die sie während der Experimente bekam.

Das Interview führte Timo Berger