„Ich musste bei den Jungs mithupf’n“
Eine letzte Domäne des Männersports fällt: Bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi treten zum ersten Mal auch Frauen beim Skispringen an. Ein Gespräch mit der Österreicherin Daniela Iraschko-Stolz
Sie gelten als große Medaillenhoffnung, wenn in wenigen Wochen bei den Olympischen Spielen in Sotschi zum ersten Mal Frauen im Skispringen um olympisches Metall kämpfen. Was bedeutet es Ihnen, dorthin zu fahren?
Ich bin ein bisschen stolz, dass ich dazu beigetragen habe, dass das Skispringen jetzt auch für die Frauen olympisch ist, denn ich gehöre ja zu den ersten, die in diesem Sport Wettkämpfe bestritten haben. Deshalb sind es ganz besondere Spiele für mich.
Wie sind Sie zum Skispringen gekommen?
Als Kind war ich eine echte Bruchpilotin. Meine Eltern waren einiges von mir gewohnt. Als ich mit elf Jahren unbedingt zum Skispringen wollte, hat sie das nicht geschockt. Skispringen galt als Männersport. Es gab dort kein anderes Mädchen außer mir. Aber in dem Alter denkt man noch gar nicht so kompliziert, ob es vielleicht komisch ist, wenn man als Mädchen springt. Für mich war das ein ganz normaler Sport.
Wie haben Sie die Trainer überzeugt?
Die haben sich wahrscheinlich gedacht, wir lassen sie ein bisschen herumspringen, dann wird sie schon von allein wieder aufhören. Doch ich war recht gut und deshalb wollte bald keiner mehr, dass ich aufhöre. Wenn man es schafft, dass man es einmal ausprobieren darf, ist schon viel gewonnen.
Wie war das mit Wettkämpfen am Anfang: Durften Sie bei den Jungs mitspringen?
Ich musste bei den Jungs mithupf’n. Es gab keine Mädchen- oder Frauenspringen. Im Schülerbereich gibt es von der Kraft her eigentlich auch kaum einen Unterschied zwischen den Geschlechtern.
Wann kam es zu den ersten Wettkämpfen unter Frauen?
Beim ersten Damenwettkampf im Januar 1998 in St. Moritz war ich noch nicht dabei. Es gab in Österreich eine gute Skispringerin, die Kitzbühlerin Eva Ganster, deren Vater diesen ersten Frauenwettbewerb auf die Beine gestellt hat. Auch in Deutschland gab es ein sehr talentiertes Mädchen, deren Vater Bürgermeister von Schönwald war, wo auch heute noch Damenspringen ausgetragen werden. Dort bin ich im März 1998 meinen ersten internationalen Frauenwettbewerb gesprungen. Von Treffen zu Treffen sind wir immer mehr geworden. Der harte Kern derer, die damals Erfolg hatten, die Norwegerin Anette Sagen zum Beispiel oder die Amerikanerin Lindsay Van, mischen heute immer noch mit, obwohl sie nie am Sport verdient haben.
Gab es keine Preisgelder?
Für einen Sieg beim Continentalcup bekam eine Springerin 350 Euro. Hurra, da bist du aber reich! Nur die ersten drei oder vier Springerinnen haben überhaupt etwas Geld für ihre Platzierung bekommen. Je länger die Entscheidung für Olympia gedauert hat, umso mehr Springerinnen mussten irgendwann aufhören. Die Förderungen sind leider überall in Europa darauf ausgerichtet, dass die Sportart olympisch sein muss, damit man sie auch professionell betreiben kann und als Sportler zum Beispiel beim Bundesheer oder wie ich bei der Polizei sein darf. Sobald es um Medaillen geht, ist auch Geld dahinter.
Das IOC hat vor den Winterspielen in Vancouver 2010 argumentiert, das Frauenskispringen sei noch nicht reif genug für Olympia. War das falsch?
Mich kränkt, dass niemand, der im IOC mit dieser Entscheidung zu tun hatte, sich jemals vor Ort ein Skispringen der Frauen angeschaut hat. Wir hatten nie die Möglichkeit, unsere Tauglichkeit wirklich zu beweisen. Für mich wäre Vancouver der richtige Boden für die erste Teilnahme der Frauen gewesen.
Im Jahr 2003 gelang Ihnen ein 200-Meter-Sprung. Er gilt als inoffizieller Weitenrekord. Warum nur „inoffiziell“?
Offiziell werden Weiten nur während eines Wettbewerbs gemessen. Ich bin beim Einspringen der Schanze am Kulm für das Herrenskifliegen so weit gesprungen wie keine Frau zuvor. Da wir Frauen auf Flugschanzen gar keine Wettbewerbe austragen, gibt es für uns auch keine Möglichkeit, dort eine offizielle Weite zu springen. Also, was soll ich tun? Es gibt einen Videobeweis, dass ich so weit gesprungen bin. Den kann sich jeder anschauen.
Das Interview führte Karola Klatt