Fairer Austausch

Ins Auswärtige Amt zieht ein neuer Chef ein – ein guter Moment, um über die Aufgaben der Außenkulturpolitik nachzudenken

Die deutsche Außenkulturpolitik befindet sich an einem Scheideweg. Ein überhaupt nicht kulturaffiner Außenminister (er hat in den vier Jahren seiner Amtszeit nicht ein einziges Mal eine Sitzung des Bundestags-Unterausschusses Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik besucht) hat offenbar keine Freude an einer Weiterentwicklung der Außenkulturpolitik gehabt. Er hat Stimmen von außen nicht hören wollen und Ratschläge nicht angenommen. Die vom Außenminis­ter federführend verfasste Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der SPD hat er in einem  teilweise solch ruppigen Ton formulieren lassen, dass man als Beobachter von außen sprachlos war.

Jetzt wird genau diese SPD Regierungspartner und Frank-Walter Steinmeier erneut Außenminister. Und jetzt muss auch entschieden werden, welche Schwerpunkte in der deutschen Außenkulturpolitik gesetzt werden: Soll man künftig die Konfliktprävention verstärken, Transformationsländer mehr unterstützen, den Dialog mit dem Islam vertiefen oder die Deutschlandwerbung weiter ausbauen? Der neue Außenminis-ter sollte als Erstes eine kritische und bewertende Bestandsaufnahme machen (lassen), um mehr und solidere Entscheidungskriterien für die Zukunft zu erhalten. Ein Ergebnis könnte schon in wenigen Monaten vorliegen. Ich mag kaum noch auf die Konzeption 2000 des Auswärtigen Amtes verweisen, die ja nach wie vor Gültigkeit hat. Dort wurde die Aufforderung formuliert: „Sämtliche Programme der Auswärtigen Kulturpolitik sind auf Qualität, Relevanz und Nachhaltigkeit zu überprüfen.“ Davor hat sich das Auswärtige Amt bis heute gedrückt. Es ist aber dringlicher denn je.

Gleichzeitig muss eine Konkurrenzanalyse her: Wer sind die Hauptkonkurrenten der deutschen Außenkulturpolitik, wie arbeiten sie, welche neuen Ideen haben sie entwickelt und umgesetzt, was davon könnte sich für Deutschland als wichtig und fruchtbar erweisen? In den vergangenen zehn Jahren haben viele Länder ihre Außenkulturpolitik erheblich ausgebaut beziehungsweise verändert, so Großbritannien, Spanien, aber auch China, Russland und die Türkei. Andere wie Indien, Korea, Japan bereiten größere Veränderungen vor. Überall entstehen in einem geradezu atemberaubenden Tempo neue Kultur- und Bildungsinstitute, auch und gerade an Orten, an denen Deutschland selbst mit Instituten, Auslandsbüros deutscher politischer Stiftungen oder Standorten der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit vertreten ist.

Schließlich sollte das Auswärtige Amt in Überlegungen für eine Kooperationsstrategie eintreten, bei denen es um eine verstärkte Zusammenarbeit mit europäischen Partnerländern und ihren kulturellen Außenvertretungen gehen muss, vor allem aber auch mit der Europäischen Union: Was kann gemeinsam besser und wirksamer (und vielleicht auch preiswerter) umgesetzt werden? Was wäre insgesamt eher ein Aktionsfeld der Europäischen Union als der Bundesrepublik allein?

Für mich bleibt das wichtigste und dringlichste Thema der nächsten zehn Jahr der Dialog mit der islamisch geprägten Welt, speziell mit den Ländern rund um das Mittelmeer. Wir müssen mit den dialogbereiten Partnern der dortigen Zivilgesellschaften dringend über Möglichkeiten sprechen, wie wir helfen können, die Bildungssys­teme auszubauen und dabei vor allem die immer noch hohen Analphabetenquoten zu reduzieren, kleine und mittlere Unternehmen zu gründen und mit ihnen Arbeitsplätze zu schaffen sowie konfliktpräventive Institutionen zu gründen oder zu unterstützen und damit zu versuchen, politische Gewalt abzubauen.

Gleichzeitig müssen wir unsere eigene Glaubwürdigkeit in diesem Dialog dadurch erhöhen, dass wir uns in unseren eigenen Medien um ein objektiveres und ausgeglichenes Bild vom Islam bemühen, den Islamdialog verstärkt im Inland führen und den Kulturaustausch mit diesen Ländern ausbauen, also mehr Kulturangebote dieser Länder bei uns anbieten. Unsere eigene Glaubwürdigkeit würden wir auch erhöhen, wenn wir im Rahmen der Europäischen Union endlich Handelsbedingungen mit den Mittelmeerländern erleichtern, faire Austauschregeln einführen, unsere Märkte für Produkte aus den Mittelmeerländern öffnen und Exportsubventionen für unsere eigenen landwirtschaftlichen Produkte abbauen würden. Hier gibt es eine enge Kohärenz zwischen der Außenpolitik, der Außenkulturpolitik, der Entwicklungspolitik und der nationalen beziehungsweise EU-eigenen Wirtschafts- und Handelspolitik.

Die Überlegungen zeigen: Es gibt gute Gründe, zu Beginn dieser Legislaturperiode über die Außenkulturpolitik neu nachzudenken.