Achtung Floskeln
Ein Ausflug in den Phrasensumpf der internationalen Beziehungen
Flagge zeigen:
Ein gängiges Synonym für „sich mit (gesundem) Selbstbewusstsein zu eigenem Tun bekennen“. Es wird oft mit der Erläuterung ergänzt, dass wir uns heutzutage keineswegs mehr im internationalen Kontext verstecken müssen – wobei offen bleibt, wovor oder wohinter wir uns zuvor üblicherweise versteckt hatten. Besonders jüngere, noch unerfahrene Kolleginnen und Kollegen, die ein hohes Selbstwertgefühl haben, werden gerne und zu Recht zu internationalen Treffen mit der Vorgabe geschickt, dort „durchaus einmal Flagge zu zeigen“. Es ist nützlich, wenn man sich und diese Bemühung anschließend im offiziellen Sitzungsprotokoll auch tatsächlich „wiederfindet“. Ein arrogantes Auftreten ist zu vermeiden, aber es kann nie schaden, den anderen nach langen Verhandlungen einmal ganz klar unsere Position zu verdeutlichen und unmissverständlich zu zeigen, wer und was wir sind und wofür wir stehen.
Zu den Architekten einer Entwicklung gehören:
Auf der internationalen Bühne ist Zurückhaltung geboten und man bezeichnet sich selbst nie als „der Architekt“ einer Entwicklung. Zumindest vordergründig sollte man immer auch die anderen Partnerstaaten „mit ins Boot holen“ oder ihnen das Gefühl geben, dass man es tut. Wenn sich die Partner nicht in der Sache wiederfinden, könnten sie später die Prozesse behindern.
Leuchtturmcharakter verleihen:
Mit dieser Metapher wird ein eigenes Projekt bezeichnet, um ihm extern wie auch im eigenen Haus besondere Aufmerksamkeit widerfahren zu lassen. Es impliziert auch, dass ansonsten alle Projekte zu versinken drohen und nur der eigene „Leuchtturm“ stabil der Brandung trotzt und weithin zuverlässig sein Licht abstrahlt.
Sprechfähig machen:
Die Leitungsebene hat in aller Regel keine Ahnung von Sachinhalten und kann diese auch gar nicht haben. Die Führungskräfte müssen daher immer erst „sprechfähig gemacht“ werden, damit sie für Fragen von Medienvertretern oder Gesprächspartnern bei Auslandsreisen gewappnet sind. Dies ist Ausdruck der Maxime: „Ich habe zwar keine Ahnung, aber immer eine Meinung.“
Die Schlagkraft erhöhen:
Eine solche Ankündigung ist ein klares Signal, dass das gesamte Team nicht mehr motiviert und begeistert ist, sondern erschöpft in den Seilen hängt und die Gefolgschaft verweigert: Der eine ruht sich aus, der andere täuscht Aktivität nur vor, ein Dritter rudert bewusst oder orientierungslos in die falsche Richtung und ein Vierter würde gern, kann aber nicht mehr. Derjenige, der die Schlagkraft erhöhen will, ahnt das und hofft mit einem Spruch der Lage Herr zu werden.
Proaktiv:
Dies ist ein besonders wirkungsvoller, innovativer Ausdruck mit hohem Signalwert, der mittlerweile in kaum einem Positionspapier oder Sprechbeitrag fehlt: „Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen das jetzt proaktiv angehen“. Die alleinige Benutzung von „aktiv“ zur Verdeutlichung der eigenen Aktivitätsorientierung reicht schon seit Längerem nicht mehr aus. Insbesondere jüngeren Kolleginnen und Kollegen ist die häufige Verwendung an richtiger Stelle zu empfehlen, um nicht schon zu Beginn der Karriere den Anschein zu erwecken, man sei zwar durchaus aktiv, aber nicht ganz so aktiv wie andere. Die Herkunft des Ausdrucks ist unklar, er stammt womöglich aus der Joghurtindustrie.
Eine Dialogplattform entwickeln/bereitstellen:
„Dialog“ ist einer der Kernbegriffe der Außenpolitik. Er bezeichnet in aller Regel eine Kommunikationsstrategie, die dem Gesprächs- oder Verhandlungspartner zumindest das Gefühl geben soll, gehört und verstanden zu werden. Daher stellen wir „eine Plattform bereit“, auf der sich jeder tummeln darf. Dadurch findet Dialog statt.