Demokratie aus Osnabrück
Regieren kann man lernen. Den Mächtigen auf die Finger zu schauen auch. Ein neues DAAD-Programm fördert politische Eliten in Entwicklungsländern
Die gestürzten Staatschefs von Libyen und Tunesien sowie den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad verbindet nicht nur ihre Rolle als Demokratieverhinderer im Nahen Osten – sie waren auch alle drei Gaststudenten in Europa. Der Diktator Robert Mugabe, der seit 30 Jahren über Simbabwe herrscht, schmückt sich mit gleich vier akademischen Titeln der University of London. Auf den unteren Positionen globaler Demokratie-Rankings tauchen immer wieder Staaten auf, deren Eliten an europäischen Hochschulen ausgebildet wurden. Immerhin kann man dasselbe auch von einer wachsenden Anzahl ihrer Gegner sagen. Zum Beispiel von Obert Hodzi, einem 29 Jahre alten Juristen, der mit einer kleinen Bürgerrechtsorganisation in Harare den Mugabe-Staat reformieren will – und zuvor im Rahmen des „Public Policy and Good Governance“-Programms (PPGG) des Deutschen Akademischen Austauschdiensts an der Universität Osnabrück studierte.
„DAAD PPGG“ – schon das offizielle Kürzel des neuen Stipendienprogramms klingt nach solider Bürokratie deutscher Machart. Und genau darum geht es auch: Jährlich sollen 80 junge Männer und Frauen aus Transformationsländern während eines zweijährigen Masterstudiums lernen, wie man öffentliche Einrichtungen und Behörden dazu bringt, transparenter, rechtstaatlicher, diskriminierungsfreier und weniger korrupt zu arbeiten. Neben Obert Hodzi kamen für die erste Ausbildungsrunde Stipendiaten aus Afghanistan, Uganda und Indonesien. Sie lernten in einem sechsmonatigen Sprachkurs Deutsch und wurden an Hochschulen zwischen Passau und Potsdam in Politik- und Verwaltungswissenschaften ausgebildet.
„Die wichtigste Erfahrung war, in einem Land zu leben und zu studieren, dessen politische Institutionen ganz anders funktionieren als in Simbabwe“, sagt Hodzi nach seiner Rückkehr nach Harare: „Außerdem habe ich im Studium und in den begleitenden Praktika Menschen kennengelernt, die sich in anderen afrikanischen und in lateinamerikanischen Ländern engagieren – und mit denen tausche ich mich weiter aus.“ Schon während des Studiums gründeten die Stipendiaten dafür einen Alumniverband.
Viele der PPGG-Teilnehmer haben vor ihrem Deutschlandaufenthalt Berufserfahrungen gesammelt – in Ministerien, bei Menschenrechtsorganisationen oder, im Fall von Obert Hodzi, als Anwalt in der freien Wirtschaft. „Lange dachte ich, dass mich die politischen Probleme meines Landes nicht betreffen“, erinnert er sich. Dann kamen die Präsidentschaftswahlen 2008, in denen der Oppositionskandidat Morgan Tsvangirai das beste Ergebnis erlangte. Der herrschende Diktator Mugabe fügte sich nicht, sondern ordnete für einige Monate später Stichwahlen an. In der Zwischenzeit erlebte das Land eine „bislang nicht da gewesene Welle der Gewalt, die sich, staatlich organisiert, überwiegend gegen Mandatsträger und Anhänger der Opposition richtete“ – so bilanziert das Auswärtige Amt die Vorgänge. Über 200 Menschen wurden getötet, Tsvangirai zog seine Kandidatur zurück, Mugabe blieb Präsident. Und Hodzi merkte: „Ich muss etwas Sinnvolles tun, um meinem Land zu helfen.“ Nach der Teilnahme an einem Aktivistencamp in Südafrika erfuhr er vom Stipendienangebot des DAAD.
Heute nutzt er sein neu gewonnes Wissen und seine Kontakte, um in Simbabwe eine Reform von Justiz und Strafverfolgung anzuschieben. Keine leichte Aufgabe in einem Land, dessen Geheimdienst so geheim ist, dass er nicht mal in Gesetzestexten erwähnt wird. Und in dem sich ein Lehrer schon des Staatsverrats verdächtig machte, bloß weil er Filmaufnahmen der nordafrikanischen Aufstände zeigte. Doch Obert Hodzi ist optimistisch – immerhin sei Tsvangirais Oppositionspartei inzwischen an der Regierung beteiligt: „Wir haben eine Chance auf Demokratie.“