„Ich versuche immer etwas zu erzählen”
Akinbode Akinbiyi hat als Fotograf eine ungewöhnliche Arbeitsmethode: Er entdeckt seine Motive spontan, indem er in den großen Metropolen dieser Welt umherwandert und währenddessen seine Kamera immer griffbereit hat. Dennoch verbirgt sich in diesem Ansatz eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Verhältnissen und ein besonderer Blick für Details. Jetzt wurde er für sein Lebenswerk wurde er mit dem Hannah-Höch-Preis ausgezeichnet. Aus diesem Anlass läuft in der Berlinischen Galerie derzeit die erste museale Einzelausstellung des Künstlers in Deutschland ,“Being, Seeing, Wandering”. Zu sehen sind Werke aus fünf Jahrzehnten und sieben Serien, darunter die in Berlin-Wedding entstandene Reihe „African Quarter“.
Das Interview führte Julia Stanton
Herr Akinbiyi, Ihre aktuelle Ausstellung heißt „Being, Seeing, Wandering“. Das Wandern ist also integraler Bestandteil Ihrer Arbeit als Fotograf. Wie würden Sie Ihr Konzept umreißen?
Es ist eine Lebensauffassung. Ich wandere. Ich stehe auf, ich frühstücke, und dann gehe ich los. Meine Kamera ist immer mit dabei. Ich achte darauf, was in meiner Umgebung passiert und wie ich mich fühle. Es ist immer ein Geben und Nehmen, fast wie ein Tanz. Und das mache ich schon seit dreißig, vierzig Jahren. Gleichzeitig versuche ich immer wieder, auch meine Herangehensweise zu erweitern. Sie ist sehr offen.
Sie haben in Großstädten in der ganzen Welt fotografiert, darunter Berlin, Lagos und Chicago, und in Ihrer Arbeit geht es häufig um Urbanität, was interessiert Sie daran?
Ja, Großstädte sind eines meiner Hauptthemen, aber eben nicht nur. Ich fotografiere auch Wälder und Strände. Letztendlich versuche ich, mich nicht auf spezielle Motive zu beschränken. Das ist sehr wichtig, finde ich. Im Leben sollte man nicht zu sehr auf bestimmte Sachen fixiert sein. Wir Menschen machen das immer wieder. Ich bemerke diese Neigung auch bei mir selber. Aber ich versuche, mich davon zu lösen und offen zu bleiben.
Wenn Sie an einen neuen Ort kommen, wie gehen Sie dann vor, wonach halten Sie besonders Ausschau?
Ich suche immer wieder nach bestimmten Momenten, die mich interessieren, die mich inspirieren. Und wenn ich diese Momente erkenne, habe ich meine Kamera bereit. Ich versuche überall, wo ich bin, etwas Interessantes zu entdecken. Darauf kommt es an. Diese Offenheit zu haben. Zudem hinterfrage ich meine Arbeit ständig: Was soll ich fotografieren? Was mache ich hier? Wieso mache ich das?
„Ich arbeite in Gegenden, die gefährlich sein können. Aber ich kenne das mittlerweile. Ich weiß, wie ich mich bewegen und verhalten muss.“
Was für Schwierigkeiten begegnen Ihnen bei Ihrer Arbeit, und wie gehen Sie damit um?
Meine Arbeit, das Wandern, das Fotografieren, ist intuitiv. Über die Jahrzehnte habe ich für mich einen Rhythmus gefunden. Aber klar gibt es immer wieder neue Herausforderungen. Jeder Tag ist anders. Manchmal spielt das Wetter nicht mit, oder ich bin nicht gut gelaunt. Wenn ich zum Beispiel in Chicago bin, freue mich auf die Stadt. Aber dort ist Waffengewalt leider noch immer ein großes Problem.
Was für Schwierigkeiten begegnen Ihnen bei Ihrer Arbeit, und wie gehen Sie damit um?
Meine Arbeit, das Wandern, das Fotografieren, ist intuitiv. Über die Jahrzehnte habe ich für mich einen Rhythmus gefunden. Aber klar gibt es immer wieder neue Herausforderungen. Jeder Tag ist anders. Manchmal spielt das Wetter nicht mit, oder ich bin nicht gut gelaunt. Wenn ich zum Beispiel in Chicago bin, freue mich auf die Stadt. Aber dort ist Waffengewalt leider noch immer ein großes Problem.
Ich arbeite in Gegenden, die gefährlich sein können. Aber ich kenne das mittlerweile. Ich weiß, wie ich mich bewegen und verhalten muss. Wenn ich merke, dass es irgendwo gefährlich wird, dann muss ich eine Entscheidung treffen. Gehe ich weiter? Gehe ich zurück? Oder bleibe ich hier?
In der Ausstellung wird auch die Serie „Afrikanisches Viertel“ gezeigt, die im Berliner Wedding entstanden ist. Mit ihr beziehen Sie sich auf den gleichnamigen Teil des Viertels, in dem Straßen nach Ländern, Städten und historischen Persönlichkeiten des Kontinents benannt sind. Was hat Sie an diesem Stadtteil interessiert?
Das Wort Afrika. Ich bin Afrikaner, ich habe eine Verbindung zu dem Kontinent. Und wenn ich das Wort Afrika höre, dann werde ich hellhörig. So bin ich auf diesen Stadtteil gekommen und habe dabei festgestellt, dass er hauptsächlich ein Wohnviertel ist und dort kaum Geschäfte sind. Ich habe mich dann mit den Straßennamen, der Architektur und auch mit den Menschen dort beschäftigt. So ist der Ort zu einem Thema geworden, das sich inzwischen seit Jahrzehnten durch mein Werk zieht. Es ist eine sehr interessante Gegend.
„Es gibt zum Teil sehr starke Geschichten und Bedeutung in kleinen Details. Danach suche ich in meiner Arbeit, und dann spiele ich damit.“
Sie wollten eigentlich Schriftsteller werden. In früheren Interviews haben Sie gesagt, dass Sie Fotografie als „eine visuelle Form des Schreibens“ verstehen. Was meinen Sie damit?
Ja, ich bin wie ein Schriftsteller in gewissem Sinne. Der Schriftsteller schreibt eine Geschichte. Und ich mache es mit Bildern. Ich versuche immer etwas zu erzählen, aber eben auf subtile Weise, nicht laut. Es gibt zum Teil sehr starke Geschichten und Bedeutung in kleinen Details. Danach suche ich in meiner Arbeit, und dann spiele ich damit.
Sie sind seit fünfzig Jahren als Fotograf tätig. Was hat sich in Ihrer Arbeitsweise geändert, seit Sie angefangen haben?
Es ist immer meine Hoffnung, einen noch besseren Blick für das Wesentliche entwickelt zu haben und dass meine Botschaft über die Jahre dichter geworden ist.
In Ihren Fotografien dokumentieren Sie auch Veränderungen über größere Zeiträume, weil sie über Jahre immer wieder an bestimmte Orte zurückkehren. Was ist Ihnen dabei aufgefallen?
Häuser werden abgerissen und neugebaut, Autos verändern sich und werden schicker oder elektrisch. Aber es ist interessant: Wir Menschen bleiben ungefähr gleich. Auch wenn unsere Kleidung anders ist als früher, begegnen und bewegen wir uns auf ähnliche Weise.
Die Ausstellung in der Berlinischen Galerie (Berlin) läuft bis 14. Oktober 2024, es ist ein Katalog erhältlich